Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – UK – Jodrell-Bank-Observatorium

Wir waren mit dem Zug und einem Interrail-Ticket zu den Welterbestätten im Vereinigten Königreich unterwegs und hatten unsere Zelte für einige Tage in Newcastle upon Tyne aufgeschlagen. Nun ging es nach Wales und am Wege lag das Jodrell-Bank-Observatorium, genauer gesagt, eher etwas ab des Weges, denn uns erwarteten vier Kilometer Fußmarsch vom nächstgelegenen Bahnhof – entlang der schmalen Fahrstraße, ohne Gehweg und mit vollem Gepäck. Aber – im Nachgang betrachtet, haben wir keinen Schritt bereut.

Das Radio-Observatorium in Jodrell Bank steht seit 2019 auf der UNESCO-Welterbeliste. Es wurde vom Radioastronomen Bernard Lovell entworfen, der 1945 an die University of Manchester gekommen war. Bei seiner Fertigstellung 1957 war es mit seinem Durchmesser von 76 m das größte Radioteleskop der Welt. Lowell hatte für die Beobachtung kosmischer Strahlung einen ruhigen Ort ohne Störquellen gesucht und ihn in einer ehemaligen botanischen Forschungsstation der Universität ca. 30 km südlich von Manchester gefunden. Das Teleskop wurde ein Vorzeigeobjekt der britischen Wissenschaft und hatte in der Pionierphase und der späteren Entwicklung der Radioastronomie bedeutenden Einfluss auf die Erforschung von Meteoren und des Mondes, die Entdeckung von Quasaren, die Quantenoptik und die Nachverfolgung von Raumfahrzeugen. Bis heute ist die Forschungsstation in Jodrell Bank in Betrieb und mit dem Lovell- und dem Mark II-Teleskop Teil des landesweiten Netzes aus sieben Radioteleskopen (e-MERLIN). Für die Besucher ist ein Teil des Geländes mit Zeugnissen aller Phasen der Geschichte des Observatoriums und der Radioastronomie, von ihrer Entstehung als neue Wissenschaft bis heute, zugänglich.

Wir hatten das riesige Teleskop bereits vom Zugfenster aus gesehen und waren so gespannt, dass wir die Information, dass vor Ort wirklich kein Bus zum Besucherzentrum fährt, relativ gelassen aufnahmen und den Fußmarsch antraten. Der Weg führte durch zwei kleine Dörfer entlang der schmalen Straße und nach der halben Strecke tauchte die große Parabolantenne hinter den Kuhweiden auf – ein irgendwie absurder Anblick, wie aus einem alten Science-Fiction-Film.

*Während unseres Aufenthalts auf dem Forschungsgelände wurde die Antenne gedreht – auf den Aufnahmen vom Hin-und Rückweg kann man die veränderte Neigung deutlich sehen.

Und endlich kamen wir in der Welt der Radio-Astronomie an.

Ab jetzt hieß es – Handys aus, denn hier wird geforscht. Genaueres erfuhren wir dann sehr anschaulich und ideenreich präsentiert in den verschiedenen Ausstellungspavillons auf dem Gelände. In der ersten Abteilung erfuhren wir aus Texten, Originaldokumenten und -Fotos, Filmen und Modellen vieles über die Geschichte und Lovells Idee, die Konstruktion, den komplizierten Bau und letztendlich die Bedeutung des Observatoriums.

Ein zweiter Pavillon widmete sich, zur Freude der Besucher anschaulichen Mitmach-Experimenten, den Grundlagen der Radioastronomie und der Funktionsweise des Radiotelekops sowie den Forschungsergebnissen.

Den Weg zum Teleskop begleiteten Plakate mit Fotos von Details, berühmten Besuchern und einfach tollen Aufnahmen vom Lovell-Teleskop zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten, die wohl jeder Besucher selbst gerne erlebt hätte.

Das absolute Highlight war es natürlich, vor dem Teleskop zu stehen und es in seiner ganzen Größe zu bewundern.

Wir hatten dazu noch das ganz besondere Glück, dass es während unseres Besuches langsam, aber doch merklich, gen Himmel gedreht wurde (wir haben die Geschwindigkeit des Videos mehrfach erhöht, damit es sichtbar wird).

Rings um das Teleskop gab es weitere Informationen und erstaunliche Experimente zum mitmachen.

Auf dem Weg zum Bahnhof entdeckten wir dann noch die Einladung zum Fest beim Space-Invader.

Ein Besuch in Jodrell Bank gehört ganz oben auf die Must-See-Liste in England. Was man hier in den verschiedenen Ausstellungen zu sehen bekommt und erfährt, ist interessant, unterhaltsam und mitreißend präsentiert. Hier gelingt es, etwas vom Forschergeist an die Besucher weiterzugeben. Allein schon vor dem riesigen Teleskop zu stehen, der Blickrichtung gen Himmel zu folgen und in Ruhe seinen Gedanken nachzuhängen, ist den Besuch wert. Auch wenn es natürlich noch viel mehr zu entdecken und auch Filme zuzbuchen gibt. Man sollte in jedem Fall ausreichend Zeit für den Besuch einplanen.

Ein Hinweis noch an dieser Stelle – Jodrell Bank liegt abgelegen zwischen einigen Dörfern, die nächste Bahnstation ist 4 km entfernt und es gibt keinen Bus. Trotzdem lohnt sich der Fußmarsch.

Mehr zu unserem Interrail-Trip gibt es in Kürze hier und die gesamte UK-Welterbetour ist hier zusammengefasst.

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