Im Mai 2024 startete unser teils doch eher spontanes Interrail-Abenteuer durch das Vereinigte Königreich – und es war ein voller Erfolg.
Den kompletten Reisebericht mit Details über die Route, besuchte Orte und Welterbestätten und was man in drei Wochen so alles erleben kann, gibt es hier. An dieser Stelle möchte ich über unsere Erfahrungen als Zug-Backpacker berichten.
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Auf fast 6.000 Kilometern und vielen Stunden im Zug, einigen Strecken im Bus oder mit der Fähre sowie ausgedehnten Fußmärschen haben wir alle für uns erreichbaren UNESCO-Welterbestätten in England, Schottland, Wales und Nordirland besucht.
Interrail
Die absolut ungeschlagen preiswerteste Möglichkeit für die Zugfahrten ist ein Interrail-Pass. Es gibt verschiedenste Varianten, sodass das Ticket individuell an die Reise angepasst werden kann: tägliches Zugabenteuer oder längere Städtetrips können damit problemlos unternommen werden. Wer langfristig plant, kann im Vorverkauf immer wieder tolle Rabatte erwischen, zusätzlich gibt es auch verbilligte Angebote für junge Leute oder Senioren. Wir hatten den Global-Pass für 22 Tage und haben außer dem Sitzplatz für den Eurostar und wenigen kurzen Strecken mit dem Bus keinen Penny für unsere Beförderung dazu gezahlt. Auch in London klappt es (mit ein bisschen Geschick) ohne Underground!
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Der Interrail-Pass deckt alle verfügbaren Zugstrecken in UK ab, sogar die nach Hogwarts. Historische, Nacht-/und Schlafzüge kosten natürlich Aufschlag, aber selbst im “normalen” Zug ist die Fahrt über das Glenfinnan-Aquädukt ein Highlight – und das wissen die Briten auch, warum sonst wäre die Strecke als eine der schönsten überhaupt beschrieben und es wird passende Musik eingespielt?
Zur Planung und Erstellung der Fahrkarte gibt es eine App, die sich bequem einfach bedienen lässt – Zielbahnhof (ggf. auf Google Maps) suchen, Verbindung aufrufen und dann die passendste wählen, schon wird das Ticket auf dem Handy angezeigt. Änderung oder Unterbrechung – kein Problem, einfach ein neues Ticket erstellen und weiterfahren. Das ganze natürlich ohne Aufpreis. Einziges Manko: man muss schon die Namen der Bahnhöfe wissen, einfach nur der Ort ergibt häufig kein Ergebnis.
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Züge und Bahnhöfe
Zugfahren im UK macht Spaß. Nicht nur, dass die Züge pünktlich fahren und das Zug- und Bahnhofspersonal freundlich und jeder extrem kompetent ist, sind die Bahnhöfe extrem ordentlich und es gibt überall kostenlose und saubere Toiletten. Auf den Bahnhöfen gibt es tolle und preisgünstige Imbissangebote (viele machen auch bei TooGoodToGo mit, dazu unten mehr) und und auf den längeren Zugstrecken kommt ein Getränke- und Snackwagen durch. Die Züge sind alle sehr gepflegt, sie haben i.d.R. schöne Polstersessel und Teppiche. Und das bleibt auch so, denn auch wenn in den Zügen gearbeitet und auch viel gegessen wird, nimmt jeder seinen Müll mit nach draußen, denn es gibt keine Mülleimer. Sicher muss ich das nicht erwähnen – natürlich gibt es überall Strom und WLAN (auch in den Überlandbussen).
Hier kommen einige Bahnhofsimpressionen:
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Eisenbahngesellschaften und besondere Züge
Ein Grund, warum das Zugfahren so gut funktioniert, ist die Privatisierung. Die verschiedenen Verkehrsunternehmen sind für unterschiedliche Bereiche des Landes zuständig, arbeiten aber zusammen, so dass es zum Beispiel ein einheitliches Fahrscheinangebot gibt. Während unserer Reise kam es zu einem großen Streik, wobei aber immer nur einzelne Unternehmen streikten und wir so, mit etwas Planung, auch gut von A nach B kamen. Ein guter Helfer war hier die NationalRail-App, die immer die aktuellen Zeiten und Züge parat hat.
Ein paar besondere Züge mit Eigenheiten gibt es aber dennoch:
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Den Eurostar darf man mit dem Ticket zwar nutzen, muss allerdings seinen Sitzplatz vorbuchen. Das sollte man auch rechtzeitig tun, denn er ist immer voll. Wir entschieden uns, den Zwischenstopp in Brüssel für einen schönen Rundgang durch das historische Stadtzentrum zu nutzen – das ist auch mit Rucksack fußläufig vom Bahnhof zu erreichen.
Ein weiteres Highlight ist der Hogwarts-Express oder richtiger eine Fahrt mit dem Jacobite Steam Train. Schon seit Jahrzehnten als schönste Zugstrecke angepriesen, führt der Weg über das wunderschöne Glenfinnan-Viadukt – da geht jedem Harry Potter Fan das Herz auf. Der Steam Train ist nicht im Ticket enthalten, wen aber vor allem die Strecke reizt, der kann die Strecke von Fort William nach Mallaig auch mit dem normalen Linienzug zurücklegen. Das Viadukt sieht man genauso und am Ziel angekommen, kann man die Dampflok bei Ein- und Abfahrt beobachten und während sie im Bahnhof steht, einen Blick ins wunderschöne Innere erhaschen.
Wer kennt es nicht aus dem Film (Video).
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Mehr zu besonderen Strecken und Brücken, wie dem Glenfinnan-Viadukt oder der Forth-Bridge gibt es hier.
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Eine ganz besondere historische Schmalspurbahn gab es im wallisischen Bergbaurevier (Link). Sie ist eine der Attraktionen von Blaenau Ffestiniog und bringt Besucher, versorgt mit Sandwiches vom kleinen Bahnsteig-Bistro, durch die Schieferlandschaft zum Hafen von Llandudno – auf den Spuren des Bergbaus.
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Sicher gibt es noch einige weitere Touren zu entdecken und wieder gilt: wir waren nicht das letzte Mal auf Schienen unterwegs.
Stadtverkehr London
Durch London fährt man eigentlich mit der Underground und der Oyster Card. Aber – auch die normalen Züge verbinden ebenfalls alle Bahnhöfe und auch die Overground ist im Interrail-Pass enthalten. Um durch die Hauptstadt zu kommen, gerade, wenn man ein bisschen Zeit hat und improvisieren kann, benötigt man kein zusätzliches Ticket. Der Vorteil, oberirdisch zu fahren – man sieht unheimlich viel unterwegs und das gleicht die etwas längere Fahrzeit aus. Die App des Interrail tut sich hier schwer mit den entsprechenden Verbindungen, aber wir haben einfach den Bahnmitarbeiter gefragt, der die Zugangsschranken bedient und jeder (!) konnte uns die günstigste Verbindung ohne U-Bahn sagen – und zwar innerhalb von Sekunden. Das muss erstmal einer nachmachen.
Busse und Fähre
Neben den Zugstrecken ist auch das Busnetz gut ausgebaut und die Busse selbst sind auch preiswert. Um also spezielle Orte zu erkunden, ein absoluter Tipp. Einzig einzuplanen sind die relativ langen Fahrzeiten, da die Busse jedes Dorf anfahren und viele Haltestellen bedienen. Wenn man diese Zeit allerdings hat, gibt es nicht viel schöneres, als von Oxford nach Woodstock oder von Bath nach Avebury zu den berühmten Steinkreisen durch idyllische Landschaften mit dicken Schafen auf saftigen Wiesen zu fahren. Hier lohnt sich auch der Blick in die jeweiligen Apps der Busunternehmen, da man mit Tages- oder Wochentickets sehr viel Geld sparen kann (das haben wir in Oxford gemacht und das Gebiet so ausgewählt, dass Woodstock inbegriffen war).
Da wir ja auf Welterbejagd waren, durfte Nordirland nicht fehlen. Hierhin gibt es zwei Fährverbindungen, die nicht direkt von Zügen angefahren werden. Mit dem Interrailpass gibt es Rabatt auf die Fährtickets, wir haben aber für uns festgestellt, dass es für die Verbindung Cairnryan-Belfast günstiger ist, mit dem Bus auf die Fähre zu fahren.
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Wir sind also von Glasgow aus gestartet und im Belfaster Zentrum wieder ausgestiegen. (Pro-Tip: Auf der Fähre kann man eine Kaffe-Kakao-Tee-Flatrate buchen und es sich gemütlich machen).
In Nordirland kann man die Zugverbindungen über die App zwar suchen, nur die Buchung hat nicht funktioniert. Da ist man mit Google Maps und der App Translink besser beraten. Unsere Abenteuer zum und vor allem vom Giants Coseway wieder weg, könnt ihr hier im Blogbeitrag nachlesen.
Hostels
Als Backpacker wohnt man am besten in Hostels. Wir haben sie über booking.com gebucht und bahnhofsnahe Unterbringungen gesucht und eigentlich immer Glück mit unserer Wahl gehabt. Natürlich gibt es hier für jeden Geldbeutel etwas und inzwischen sind Hostels ja auch nicht nur noch 15-Mann-Zimmer mit Gemeinschaftsbad. Wir haben einen guten Mittelweg für uns gefunden, preislich angemessen und für unseren Reisestil gut gelegen. Ein Tipp ist es, auch bei Ketten wie St. Christopher’s Inn, direkt zu buchen. Einerseits bekommt man Rabatte, wenn man von einem ins nächste weiter vermittelt wird und andererseits gibt es neben günstigeren Preisen auch Angebote, wie ein Willkommensgetränk. Einen Blick ist es jedenfalls wert.
Hostels unserer Reise:
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Toogoodtogo
Ausgewogen essen ist “on the run” nicht immer leicht, aber heutzutage einfacher denn je. Inzwischen ist die App gegen Lebensmittelverschwendung “TooGoodToGo” vielen ein Begriff und wir nutzen es auch viel in Deutschland, um kurz vor Ladenschluss noch Leckereien für einen schmalen Taler abzustauben. Was wir nicht wussten: bei dieser Aktion macht in England fast jeder mit. Nicht nur alle Imbiss- Anbieter auf den Bahnhöfen in den Touri Gebieten, sondern auch Lebensmittelverkaufsstellen nehmen daran teil, und das über den ganzen Tag. Anfangs als Auflockerung und später ein bisschen als Sport, haben wir uns fast ausschließlich und sehr reichhaltig, vielfältig und ausgewogen in den drei Wochen ernährt. Von Torten über Scones zu riesigen Brottüten, Allerlei von Hotelfrühstücksbuffets bis zu Tortillas, Pastyies und Bowles war alles dabei und es hat riesigen Spaß gemacht, auf die Überraschungstüten zu warten. Am Ende hatten wir es so perfektioniert, dass wir in kurzen Umstiegszeiten unsere Leckereien abholen und auf der Weiterfahrt genießen konnten. Eine klare Empfehlung, das mal auszuprobieren, Neues kennen zu lernen und dabei eine Haufen Knete zu sparen (wir haben unter 1/3 des Normalpreises gezahlt). Und gut für den Planeten ist es außerdem.
TooGoodToGo:
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Resümee
Zusammenfassend: ein riesiger Spaß. Wer ein bisschen abenteuerlustig ist und natürlich auch etwas Zeit mitbringt, sollte Großbritannien unbedingt auf Schienen bereisen. Wirklich bequem, mit der Möglichkeit, die Landschaft entspannt durchs Fenster zu betrachten, ohne sich auf Linksverkehr einstellen zu müssen und mit der Herausforderung, sich sinnvolle Strecken selbst zu entwerfen, ist das ein klarer Tipp. Einzige Einschränkung: würde man die Tickets einzeln buchen, kommt man sehr schnell auf wirklich hohe Beträge und muss das Ganze vermutlich noch einmal gegenrechnen. Für uns mit dem Interrail-Ticket war es die günstigste Art, in drei Wochen wirklich das gesamte Land zu bereisen.
Und nach dieser Erfahrung steht eine weitere Interrail-Backpacker-Reise ganz oben auf der Liste.
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