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Ruhrpott-Radeln – inmitten von Industrie und Idylle

Für mich als Sächsin ist der Ruhrpott “tief im Westen”. Vor wenigen Wochen bin ich nun selbst hierher gezogen und wohne fast direkt am Rhein-Herne-Kanal. Ich nutze die Wartezeit auf mein Abenteuer-Auto Dobby und die pfingstbedingte Wohnungs-Umbau-Pause zum Erkunden der Umgebung per Pedes.

Das Vogelgezwitscher bei Tagesanbruch und die senile Bettflucht treiben mich früh zum Kanal, die Schleuse und die Besatzung der Frachter haben ihr Tagwerk noch nicht begonnen. Auf dem Radweg muss ich immer wieder Kaninchen ausweichen. Im Moor komme ich zu spät für den Start der Reiher, dafür kreuzt eine Gänsefamilie meinen Weg.

Die ersten größeren Touren unternehme ich gemeinsam mit Florian. Radwege gibt es zuhauf, auch sind die Touren für den Ortskundigen sicher gut ausgeschildert. Für mich klingen alle Ortsnamen noch fremd und ziemlich lustig, da bewährt es sich, dass Florian die Komoot-App besitzt (eine Anschaffung, die sich schon bei der zweiten Tour nützlich und lohnend erweist). Wir fahren weitgehend an den Kanälen entlang, durch viel Grün, schöne Parks, unberührte Wälder und kleine Natur-Reservate für die Wasservögel. Grönemeyers “Bochum” liegt meist auf der anderen Seite des Kanals und bildet für mich eine völlig ungewohnte Silhouette. Vom Dreck der besungenen Jahre ist nichts mehr zu spüren, das Wasser ist klar und voller Fische und Wasservögel. Die Ruhrpöttler sitzen auf den Steinen am Kanal und schauen den Frachtern nach – mehr Entspannung als “Pulsschlag aus Stahl”, dessen Produkte auf den Frachtern den Kanal hinab schippern. Die Radwege sind bis auf einige schmale Schotter- und Feldweg-Abschnitte größtenteils exzellent mit eigenen Brücken übers Wasser. Das wundert mich nicht, auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind nach dem/ durch den Bergbau in den letzten Jahren die schönen Tagebauseen mit ihrem Umfeld entstanden und hier gab es diese Entwicklung Jahrzehnte eher.

Unsere erste Tour führt uns zum alten Schiffshebewerk Henrichenburg. Coronabedingt sind die Wege erstaunlich leer, es ist auch noch nicht alles geöffnet. Wir drehen eine Runde über die Inseln und ich lasse mich von der Idylle inmitten der historischen Technik verzaubern.

Bei einem späteren Besuch im Herbst haben wir das Hebewerk besichtigt – sehr, sehr interessant und beeindruckend. Ergänzend und ebenfalls unbedingt empfehlenswert sind die Fotoausstellung und das Museumsschiff.

Am nächsten Tag geht es Richtung Gelsenkirchen, wieder fast durchgängig am Kanal entlang, vorbei an der Schleuse Wanne-Eickel, über die schicke Brücke Grimberger Sichel bis zur Zoom Erlebniswelt. Hier haben sich alle versammelt, die nicht mit dem Rad unterwegs sind und wir fahren schnell zurück auf unseren fast leeren Radweg und erklimmen die Halde Pluto. Von hier oben zeigt sich wieder das Gehimnis dieser faszinierenden Landschaft – grün, nach Kiefern duftend, voller Vogelgezwitscher und unmittelbar dahinter Türme, Fabriken, Hochspannungsleitungen und die nächste Halde. Wir versuchen, einen Kaffee zu erhaschen und bekommen schließlich im Radfahrtreff an der Schleuse Wanne-Eickel einen Schattenplatz im großen Biergarten.

Ich bin ja auch in der Kupfer-Bergbauregion zwischen hohen Schlacke-Halden aufgewachsen, da war die gestrige eher winzig. Die ich heute besuche, macht ihrem Namen da schon eher Ehre. Heute radele ich zum Landschaftspark Hoheward. Während ich mein Rad schnaufend die Serpentinen hochschiebe und von munteren EBikern mühelos überholt werde, wird der Ausblick immer interessanter. Von hier in 100 Meter Höhe über der Umgebung offenbart sich im Rundblick der eigenartige Reiz dieser Landschaft zwischen Grün und Zersiedelung. Der Landschaftspark ist nett gestaltet mit einer Sonnenuhr und einem nachempfundenen prähistorischen Sonnenobservatorium. Ich sitze in der Sonne und bin froh, wie in den letzten Tagen mein Picknick eingepackt zu haben, denn vieles ist noch im Corona-Down. Zurück führt mein Weg durch die Orte, aber auch das radelt sich entspannt, überall, auch an den Fernstraßen, gibt es breite Fahrradspuren.

Wart ihr schon einmal an der Himmelstreppe in gelsenkirchen? Wenn nicht – der Aufstieg lohnt sich!

Ihr seht an meinen Schnappschüssen von unterwegs und meiner Überraschung und Begeisterung, dass ich mich nicht nur beginne einzugewöhnen, sondern viel Schönes entdeckt und Lust auf weitere Erkundungstouren bekommen habe.

unterwegs am Rhein-Herne-Kanal

Nach den schwülen Tagen drohen Unwetter und ich nutze die Ruhe vor dem Sturm und die leeren Wege, um noch einmal Richtung Henrichenburg zu radeln und mir die interessanten Orte am Wege anzuschauen – das idyllische Wasserschloss Bladenhorst und die Industrie-Kulisse der Rüttgers Türme.

Zwischen meinen Dobby-Touren locken die Radwege entlang der Kanäle – heute zum Emscher-Turm und zum Wasserstraßenkreuz Henrichenburg. Das Naturschutzgebiet Pöppinghauser Wald ist immer einen Stopp wert.

Eine ungeahnt romantische Stadt inmitten der Industrielandschaft ist hattingen – unbedingt einen Besuch wert. Anbei einige Schnappschüsse:

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