Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – D – Hamburger Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus

Die Speicherstadt und das angrenzende Kontorhausviertel stehen als bedeutende Zeugnisse der Seehandelsstadt Hamburg seit 2015 auf der UNESCO-Welterbeliste. Die beiden benachbarten und sich funktional ergänzenden Stadtteile bilden gemeinsam ein herausragendes Beispiel für einen kombinierten Lager-Büro-Bezirk in Verbindung mit einer Hafenstadt und veranschaulichen die Auswirkungen des rasanten Wachstums des internationalen Handels am Ende des 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Die Speicherstadt wurde zwischen 1885 und 1927 auf einer 1,1 km langen schmalen Inselgruppe in der Elbe auf Tausenden von Eichenpfählen erbaut. Jedes der Backsteinlagerhäuser hat auf einer Seite Zugang zum Wasser (Fleet), auf der anderen zur Straße. Die Stadt der Lagerhäuser umfasst 15 sehr große Speichergebäude, die äußerlich historisch wirken, aber in ihrer technischen Ausstattung fortschrittlich sind, sowie sechs Nebengebäude und ein verbindendes Netz aus Straßen, Kanälen und Brücken. Die Hamburger Speicherstadt ist einer der größten zusammenhängenden historischen Hafenlagerkomplexe der Welt.

Das angrenzende Kontorhausviertel entstand in den 1920er bis 1950er Jahren und ist ein geschlossenes, dicht bebautes Areal mit acht überwiegend sehr großen Bürokomplexen, die für hafenrelevante Unternehmen errichtet wurden. Das erste Hamburger Hochhaus, das markante Chilehaus, ist seit damals eine Ikone des Backsteinexpressionismus. Die anderen massiven und bis 10geschossigen Bürogebäude des Viertels zeichnen sich ebenfalls durch ihre frühmoderne Backsteinarchitektur und ihre Funktionalität aus und zeugen damit von den architektonischen und städtebaulichen Konzepten des frühen 20. Jahrhunderts.

Ich habe auf meinem Waldparkplatz perfekt geschlafen und fahre schon recht früh über die Elbbrücken in Hamburg ein. Für Dobby habe ich einen kostenlosen P+R Parkplatz neben einer S-Bahnstation ausgesucht und nutze das gesparte Parkgeld für eine Tageskarte für die Stadtbahnen.

Speicherstadt

Mein erstes Ziel ist die Speicherstad und ich bin, wie gestern, fast alleine unterwegs. Ich umkreise einige Stunden die Fleets mit den hohen Speicherhäusern und bewundere die Schönheit dieser Zweckbauten.

Heute beherbergen sie Kunst, Kultur und Unterhaltung (Dialog im Dunklen, Theater, Hamburg Dungeon u.v.m.), dienen aber auch noch ihrem ursprünglichen Zweck als Lagerhallen. Ich sehe Teppichrollen an den alten Aufzügen und es riecht verführerisch nach Kaffee. Als ich am Zollmuseum meine, schon bis zum Infocenter vorgedrungen zu sein, wird mir bewusst, wie riesig dieses Areal ist.

Im Infopoint gibt es einige nette Computeranimationen und Filmclips zu sehen.

Über die Fleets führen Brücken und immer wieder tut sich ein toller Blick auf, ich könnte mich in den Details und Spiegelungen in den Fensterscheiben verlieren.

Tafeln informieren über Konstruktion, Brand- und Hochwasserschutz, die wechselvolle Geschichte und den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg. Zum Glück wurde dieses beeindruckende Zeugnis der Handelsgeschichte rekonstruiert und wird – man sieht viel Bautätigkeit – auch aktiv erhalten. Der laue Wind bringt Meerluft mit sich, so dass sich die Hitze des heutigen Tages hier gut ertragen lässt.

Kontorhausviertel

Auf die andere Seite des Fleets bringt mich ein Zeitsprung von 30 Jahren. Hier ist das Kontor-Viertel, ähnliche Bauten um Innenhöfe herum kenne ich von den Messehäusern in Leipzigs Innenstadt und auch vom Jugendstilviertel in Budapest. Doch hier stehen Bauten der Moderne und des Expressionismus, z.B. das beeindruckende Chile-Haus. Seine Fassaden sind geschwungen und sollen an einen Schiffsrumpf erinnern.

Das gesamte Kontorhausviertel strotzt von Repräsentationsbauten und als Fingerzeig finde ich hier die Reichen-Straße. Viele Geschäfte locken die Besucher und dementsprechend voller ist es hier zwischen den hohen Häusern. Hier in Hamburg gelten noch strengere Coronaregeln als im Nachbarbundesland und mir fällt auf, dass die Geschäfte offensichtlich  Zugang mit der Luca-App gewähren.

Stadtbummel

Die Hitze wird langsam unerträglich und mich zieht es zum Jungfernstieg an der Alster. Auf dem Weg dorthin komme ich an einer der Ruine der Nikolaikirche vorbei und normalerweise könnte man mit einem gläsernen Aufzug auf ihren noch erhaltenen, höchsten Kirchturm Hamburgs fahren – Corona macht mir auch hier einen Strich durch das Vorhaben.

Das imposante Rathaus der Stadt entschädigt dafür. Mit seiner Siegessäule auf dem Platz davor sieht es aus wie ein kleines Winterpalais. 

Am Jungfernstieg im Schatten mache ich eine verdiente Rast, bevor ich mit der U-Bahn in die Außenbezirke fahre. Ich habe bis jetzt die absoluten Filetstücke der Stadt gesehen.

Friedhöfe

Auf der UNESCO-Vorschlagsliste steht der historische jüdische Friedhof in Hamburg Altona. Leider ist er nur an wenigen Nachmittagen zur Besichtigung geöffnet, ich erhasche deshalb leider lediglich einige Blicke durch den Zaun. Offensichtlich liegt der Wert, mal abgeshen von der Romantik, in den Schätzen für die Historiker.

Ich bin deshalb nicht traurig und fahre zurück und zum größtem Parkfriedhof der Welt in Ohlsdorf. Hier liegen Schauspieler und Politiker begraben, der Friedhof ist aber eigentlich ein riesiger Park und ich komme gerade noch rechtzeitig, bevor die Rhododendren verblüht sind. So wandele ich den Rest des Nachmittags mit betörendem Duft und Vogelgesang durch die Anlagen und bekomme sogar noch etwas kaltes Wasser auf meine heißen Schultern und Füße.

Die S-Bahn bringt mich zu meinem Auto, inzwischen hat der Verkehr nachgelassen und ich fahre in Richtung Lübeck. Mein heutiger Schlafplatz wird 20 km davor auf einem freien Womo-Stellplatz unweit eines kleinen Sees sein (park4night).

Resümee

Hamburg hat sich von seiner schönsten Seite präsentiert – tolles Wetter, kaum Besucher. Ich habe gesehen, was ich mir erhofft und viel mehr, als ich erwartet hatte. Die Speicherstadt ist unheimlich beeindruckend, wunderbare Details an reinen Zweckbauten, so etwas habe ich in dieser Vielfalt noch nicht gesehen – deshalb mein unbedingter Tipp. Und wenn wieder alles geöffnet ist – im Innenleben gibt für jeden Geschmack etwas zu sehen und zu erleben. Im Kontorhausviertel übertrafen sich die Architekten an Einfallsreichtum, hier gibt es ein architektonisches Feuerwerk zu bestaunen. Das Zentrum hat noch viele tolle Ecken zu bieten und aus der S-Bahn sehe ich auf der Fahrt in die Außenbezirke auch diesen oder jenen interessanten Stadtteil. Der Ohlsdorfer Parkfriedhof ist ein wunderbarer Ort zum Entspannen nach einem aufregenden Stadtbummel

Am Abend sitze ich hier mit den Füßen im See, die das nach 20 Kilometern bei 37 Grad auch verdient haben und lasse meine Runde im Kopf Revue passieren. Im Dobby läuft der Kühlschrank und laden die Kamera-Akkus. Heute bin ich sehr froh, die Zusatzbatterie eingebaut zu haben.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour durch den Norden Deutschlands ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

Schreibe eine Antwort