Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – D – Altstädte von Stralsund und Wismar

Nachdem ich im Herbst letzten Jahres Bremen und vorgestern die Königin der Hansestädte, Lübeck, besucht habe, stehen heute zwei weitere mittelalterliche Zeugen des kulturellen Erbes der Hanse auf dem Plan.

Die Altstädte von Stralsund und Wismar wurden 2002 auf die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Die beiden Städte an der norddeutschen Ostseeküste waren im 13. bis 15. Jahrhundert führende Zentren des wendischen Hanse-Bundes. Viele ihrer Altstadthäuser aus dem 14. Jahrhundert sind heute noch original erhalten. Sie zeugen von der Entwicklung der charakteristischen Bauweise und -Techniken der Backsteingotik im Ostseeraum. Höhepunkte sind einige Kirchen, das Rathaus von Stralsund und eine Reihe von Wohn-, Gewerbe- und Handwerkshäusern, an denen die Ziegel kunstvoll in verschiedenen dekorativen Formen angeordnet wurden.

Beide Stadtzentren wurden in der Vergangenheit baulich wenig verändert oder überbaut, so dass sie wertvolle kulturhistorische Zeugen der hanseatischen Blütezeit sind. Noch heute hat Wismar sein mittelalterliches Hafenbecken bewahrt, sehenswert sind der Marktplatz mit der Wasserkunst und die Nikolaikirche. Stralsunds Stadtplan weist immer noch die mittelalterliche Insellage auf. Das Rathaus und die Marienkirche sind herausragende Beispiele der Backsteingotik und prägen wie damals die unverwechselbare Silhouette der Stadt.

Ich habe am Stadtrand von Wismar unweit des Strandes übernachtet (park4night) und meinen Kaffee dort in der Morgensonne getrunken. Jetzt droht der vorhergesagte Regen. Deshalb fahre ich zügig ins Zentrum, um die wichtigsten Bauwerke noch trocken ablichten zu können.

Wismar

Ich parke im Unigelände hinter dem Theater und komme durch den Stadtpark Richtung Zentrum. Schon bald sehe ich die wunderschön bemalten und renovierten Giebelhäuser. Interessant und aufschlussreich ist, dass an vielen Häusern die Jahreszahlen stehen. Wismar ist noch verschlafen, wen wundert es um diese frühe Uhrzeit. Je näher ich dem Zentrum komme, umso bunter und hübscher wird es. Ich laufe gegen die Zeit, besser gesagt, gegen das heraufziehende Unwetter. Noch scheint die Sonne blass durch die Wolken, doch dahinter droht es dunkelgrau. Deshalb kann ich mir nicht so viel Zeit lassen, wie eigentlich geplant ist und nötig wäre.

Markt und Wasserkunst 

Nach jeder Seite lohnt der Blick, die Bebauung am Markt ist wunderschön und sehenswert. Ich drehe meine Runde. Fast zentral steht die alte Wasserkunst, die um 1600 als Brunnenhaus über einem unterirdischen Wasserspeicher für die Wasserversorgung der Innenstadt geschaffen wurde. Über hölzerne Leitungen wurden vor allen Dingen die Brauhäuser versorgt. Diese haben heute zwar noch geschlossen, aber es duftet über den Markt nach frischem Kaffee, die Bäckereien sind schon gut besucht.

Kirchen

Vom Markt aus gehe ich vorbei am Archidiakonat, einem gotischen Wohnhaus von 1450. Von der Marienkirche ist nur der Turm erhalten, den man später am Tag besteigen könnte. Vorbei am Amtsgericht und Sankt Georgen flaniere ich weiter durch die Innenstadt zur Kirche Sankt Nikolai. Sie beeindruckt mit ihrer breiten Bauweise und dem eckigen Kirchturm. Für einen Besuch bin ich leider noch zu früh dran, dafür schlagen alle Viertelstunde die Kirchenglocken und lassen Gedanken an ferne Zeiten durch die Gassen ziehen.

Hafen

Ich bin mit flinken Füßen unterwegs, noch ist mir das Wetter hold. Die ganze Stadt ist durchzogen mit historischen Bauten, alle kleinen Straßen sind gesäumt von größtenteils hunderte Jahre alten Häusern und Häuschen. Durch die bunte Krämerstraße gehe ich Richtung alter Hafen ich sehe schon von Ferne die hohen Speicherhäuser. Und schon stehe ich am Altstadthafen, natürlich ist auch hier alles um mich herum aus rotem Backstein. Durch das historische Wassertor durchquere ich noch einmal die Stadt und bin am Parkplatz, als die ersten Tropfen fallen.

Resümee

Wismar ist die kleine Schwester der Königin der Hansestädte, des reichen Lübeck, aber in seinem Zentrum über die Jahrhunderte erhalten, mit Liebe restauriert und gepflegt. Es präsentiert sich mit einem Welterbezentrum und guter Ausschilderung. Ich habe nicht die idealen Bedingungen für meinen Stadtbummel gehabt, aber eine wunderbares, buntes, historisches und authentisches Stadtzentrum und Hafengebiet zu sehen bekommen und behalte meinen Kurzbesuch in bester Erinnerung.

Stralsund

Auf der Fahrt nach Stralsund begegnen mir immer mehr Wohnmobile, die Feriensaison beginnt. An den Feldrainen blühen Klatschmohn und Kornblumen, es werden Spargel und Erdbeeren geerntet. Ich fahre auf der Ostsee-Schnellstraße und als ich in Stralsund einfahre, kommt die Sonne hervor. Sonntags kann man zentrumsnah kostenlos parken und ich finde auch noch einen Platz am Frankenwall.

Mein ersten Ziele sind das Rathaus und Nikolaikirche. Stralsund ist eine Nummer größer als Wismar, mittlerweile sind auch mehr Besucher auf den Straßen unterwegs. Vorbei am Tribseer Tor und an der weithin sichtbaren Marienkirche laufe ich über den neuen Markt, der nur ein Parkplatz ist, umgeben von großen Bürgerhäusern. Doch je näher ich dem alten Markt komme, um zu hübscher und hanseatischer wird die Stadt. Am Weg fotografiere ich die Jacobikirche mit der typischen breiten Form und dem eckigen Turm, wie ich es aus Wismar schon kenne.

Alter Markt und Rathaus

Ich biege um die Ecke auf den alten Markt und bin sprachlos. Was für ein wunderschönes Rathaus, hier ist der hanseatische Reichtum wieder spürbar. Rings um den Markt stehen schmucke Kaufmannshäuser. Nebenan gibt eine Welterbe-Ausstellung und an den wichtigsten Gebäuden erläutern Tafeln die “Wege zur Backsteingotik”.

Das Rathaus und die Kirche Sankt Nikolai stammen vom Anfang des 14. Jahrhunderts. Unter dem Rathaus befindet sich ein großer Gewölbekeller, in den Arkaden des Erdgeschosses waren schon damals 40 Kaufläden. Im anderen Teil war der Ratssaal. Das Rathaus ist besonders eindrucksvoll durch seine vorgebaute gotische Schaufassade und das Spiel der Sonne dahinter.

Im Lichthof zur angrenzenden Kirche steht das Küsterhaus, in dem zugleich die Handelsschule für die Kaufmannssöhne untergebracht war.

Kirche Sankt Nikolai

Der Bau von Sankt Nikolai wurde 1270 begonnen und ist eines der frühesten Beispiele, eine Basilika im französischen Stil aus Backstein zu bauen. Ähnliches habe ich in Lübeck gesehen. Im Inneren ist sie traumhaft schön und bunt und reichhaltig ausgestattet.

Besonders interessiert mich die astronomische Uhr. Es gibt eine anschauliche Erläuterung der Uni, die ein Modell besitzt. Sonntags kostet die Kirche keinen Eintritt, da spende ich doch gerne und werde dafür, inzwischen ist es richtig heiß geworden, mit einem kalten Fußbad auf dem Marktplatz belohnt.

Hafen

Durch die Fährstraße gehts zum Hafen, vorbei wieder an schönen Backstein- und Giebelhäusern. Stralsund ist zwei Nummern größer als Wismar, ich muss meine Kamera beständig hochkant halten. Wenn die Häuser in Wismar zwei Etagen hatten, haben sie hier vier.

Aber auch wenn alles viel größer erscheint, bin ich doch schnell durchs Zentrum zum Hafen gelangt. Hier liegt die alte Gorch Fock, sie ist heute Museum.

Zurück gehe ich durch die Badergasse mit den großen Palästen, die der Regierung vorbehalten waren – Hanse Reichtum lässt grüßen. Das Haus der Schiffer ist trotzdem nicht so reich wie das in Lübeck.

Marienkirche

Ich habe in der Nikolaikirche erfahren, dass in der Marienkirche Kirchturmbesteigungen möglich sind, also auf zum Neuen Markt.  

Der Aufstieg auf den Turm der Marienkirche ein schweißtreibendes Abenteuer. Zunächst 335 steilste Stufen und dann stehe ich direkt oben auf dem Turm, ohne Netz und ohne Glas, und der Blick über die drei Seen und die Inseln der Stadt ist die Krönung des Ganzen.

Ich beende meine Stadtrunde am See, setze mich in den Schatten auf eine Bank, lasse meine Eindrücke Revue passieren und plane den Abend.

Resümee auf der Insel Dänholm

Auf meiner Norddeutschland-Runde habe ich drei Welterbe-Hansestädte besucht, von denen jede einmalig ist. Lübeck, das seinen Reichtum offen zur Schau stellt, Wismar dagegen bodenständig und anheimelnd und Stralsund wunderschön. Die Stadt ist noch authentisch und ihre Lage auf den Inseln macht einen Besuch zu einem Erlebnis für alle Sinne.

Das angekündigte Unwetter scheint uns ausgelassen zu haben und ist gleich nach Mitteldeutschland gezogen. Über die alte Brücke fahre ich auf die kleine Insel Dänholm und mache Rast (park4night). Von hier aus habe ich den schönsten Blick auf die Silhouette von Stralsund.

Nach einem kühlen Bad am Strand beschließe ich, heute Abend hier zu bleiben. Ich parke mein Auto mit Blick auf den See, finde eine Bank für mich zum Abendbrot und genieße den Sonnenuntergang – Was will man mehr nach einem aufregenden Tag, 22.000 Schritten durch zwei sehenswerte Städte, hundert Fotos und noch viel mehr Eindrücken im Kopf.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour durch den Norden Deutschlands ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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