Reisen+Ausflüge

Rollerlilli on Tour – Eine Runde mit Stützrädern

Linda und Rollerli sind  nach einer Woche packen und einer Probefahrt auf dem Weg von Leipzig Richtung Westen –  im strömenden Regen, aber so kennen wir ja unseren Sommer in Deutschland. Ich muss langsamer fahren, als ich möchte, die Idee mit dem Handy zur Navigation im Sichtfeld der Lenkertasche fällt erst mal ins Wasser und selbstverständlich wird gerade heute an allen Straßen gebaut. Mir wird auch auf die unangenehmste Weise klargemacht, dass „nass auf dem Roller“ nicht nur nass ist, sondern klitschemadennass und zwar alles. Und dazu kalt. Aber was soll’s? , denke ich mir, es muss ja irgendwie losgehen und nach diesem ersten Tag kann es  nur besser werden.

Tatsächlich klart es nach und nach auf und ich komme in den Genuss, die Landschaft in den satten Farben bewundern zu können, die nur der Regen hervorbringen kann. Ich fahre durch das Leipziger Neuseenland – Tagebau-Restlöcher, die inzwischen Badeseen sind, dann an Halle vorbei durch die Weinanbaugebiete von Saale und Unstrut und schließlich bis in den Harz. Ein paar Straßen sind gesperrt, durch die heftigen Regenfälle gibt es allerorts Überschwemmungen. Das ist letztendlich zu meinem Vorteil, denn anstelle der Klausstraße, die ich schon kenne, komme ich nun von Norden durch verschiedene Kurorte nach Sangerhausen und dann entlang der A38 durch Nordhausen bis Heilbad Heiligenstadt.

In Kassel mache ich nach einer Tagesetappe von fast 200km am zweiten Tag halt. Der Regen legt sich langsam, der Fahrtwind trocknet meine Kleidung. Ich komme bei Freunden unter, die auf ihrer Fahrradtour von Athen nach Kassel bei uns vorbeigekommen sind. Wir drehen eine Runde durch die Stadt, der Bergpark mit seinen vielen Wasserfällen und der kupferne Herkules sind auch in der Dämmerung einen Besuch wert. Am nächsten Vormittag noch die Innenstadt: Ausgewählte Stücke der Dokumenta bleiben jedes Jahr auf Plätzen und Grünflächen stehen und verwachsen mit dem Stadtbild. Dieses Jahr beeindruckt mich das Parthenon der Verbotenen Bücher, das fast den gesamten Friedrichsplatz einnimmt.

Am frühen Nachmittag fahre ich los zum Hermanns-Denkmal in Detmold. Das kenne ich aus dem Buch Mara und der Feuerbringer . Die Straße schlängelt sich durch dichten grünen Nadelwald, an niedlichen Dörfern vorbei und in einem großen Kringel zum Hermanns-Denkmal hinauf.

Ich habe einen schönen Ausblick, der Himmel wird aber schon wieder dunkler – zelten oder noch achtzig Kilometer fahren will ich heute nicht. Ich schicke ein paar Couchsurfing-Anfragen los. Obwohl ich hier auf einem Berg stehe, ist das Netz allerdings nicht berauschend und als auch der Wind anfängt, ein bisschen zu kühl für meinen Geschmack zu werden, schaue ich mich nach einem McDonalds um. Kostenfreies WLAN ist auf Reisen nicht zu unterschätzen und das ist international ein sicherer Anlaufpunkt dafür.

Nach und nach trudeln ein paar Antworten ein – leider alles Absagen. Zum Glück kann ich auf Plan B zurückgreifen:  Die Dachgeber, einen Verein für Fahrradfahrer, die sich gegenseitig ein Dach über dem Kopf geben. Das selbe Prinzip wie Couchsurfing also, nur analog. Alle Mitglieder sind in einem gedruckten Katalog verzeichnet, den meine Basis – also Mami zu Hause – mir abfotografiert und schickt.

Ich gehe  die Liste durch es meldet sich tatsächlich ein fröhliches „Hallihallo“ aus dem Hörer. Christine ist gerade im Garten und freut sich – ich bin die erste, die sie beherbergen kann. Wir quatschen über Reisen, Gepäck, Ausrüstung. Sie ist völlig fahrrad-verrückt – fährt in Island durchs Hochland, über die Alpen und ist einmal vom Nordkap bis nach Kapstadt gefahren … Trotz des Altersunterschieds haben wir so schnell ein gemeinsames Thema und es fällt gar nicht auf, dass wir uns vor einer halben Stunde zum ersten Mal gesprochen haben …

Am nächsten Morgen geht es nur bis nach Osnabrück, aber auf dem Weg räume ich mit der Bielefeld-Verschwörung auf. Das gibt es nämlich sehr wohl. Ich drehe eine Runde durch die Innenstadt, schaue Brunnen und Kirchen an, suche einen Ich-war-hier-Geocache und weiter geht’s.

Osnabrück ist wunderschön. Zumindest äußerlich kann gegen die Uni so manche andere einpacken – der Innenstadtcampus ist in einem gelben Barockschloss mit Park und Springbrunnen untergebracht … Außerdem gibt es eine niedliche kleine Innenstadt, Kirchen, die Figuren an der Fassade des Rathauses, enge Gassen, Fachwerkhäuser, auf den breiteren Straßen schauen mich die bunten Giebel an. Ich habe wieder über die Dachgeber eine Übernachtung gefunden, Peter erzählt ein wenig von seinen Erfahrungen mit Dachgebern, Couchsurfing und co.

Es geht weiter nach Norden, durchs Münsterland mit Wiesen und Weiden und Kühen und Kühen und Kühen. Das letzte Mal hab ich meine Schwester hier im Frühling besucht, jetzt stehen auf allen Feldern Mais und Weizen.

Was mir gestern schon in Osnabrück auffiel, sehe ich auch in Lingen – besonders am Haus Hellman. Miete und Pacht wurden früher auf die Grundfläche des Hauses gezahlt, deshalb wurde die bei den einzelnen Etagen nach oben immer größer. Die reich verzierte, hölzerne Fassade scheint mich förmlich zu erschlagen als ich davor stehe, so sehr lehnt sie über die Straße.

Morgen fahre ich über die Grenze in die Niederlande. Ich bin aufgeregt, dann verlasse ich endgültig bekanntes Terrain und bin auf mich allein gestellt – Stützräder abgeschraubt, alle Technik voll geladen, meinen Host für morgen angeschrieben – Bjorn wartet in Apeldoorn zum Abendbrot auf mich!

Ich freue mich, wenn ihr mich auch auf der nächsten Etappe begleitet! Es folgen Tage mit Natur, Kunst, Tiermomenten und wunderschönen Städten …

Bis dahin,

Linda und Rollerli

Meine Tages-Touren:

Tag 1:  Mittelsachsen bis in den Harz

Tag 2: Durch den Harz bis Kassel 

Tag 3: Zum Hermanns-Denkmal in Detmold

Tag 4: Bielefeld und Osnabrück

Tag 5: Durchs Münsterland nach Lingen

Schreibe eine Antwort