Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – PL – Friedenskirchen von Jawor und Świdnica

Nach meiner Wanderung durch den frühlingshaften Buchenwald im tschechischen Isergebirge komme ich im Städtchen Jawor und damit in Polens Kulturgeschichte an. Natürlich hatte ich mich im Vorfeld über die Friedenskirchen belesen, doch als ich dann davor stehe und noch mehr, als ich eintrete, bin ich doch unheimlich überrascht und beeindruckt.

Die um Mitte des 17. Jahrhunderts errichteten Friedenskirchen in den Städten Jawor und Świdnica sind die größten barocken Fachwerkbauten Europas. Diese einmaligen Meisterwerke der europäischen Holzarchitektur und des handwerklichen Könnens haben eine ebenso einmalige Geschichte. Nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges 1648 wurde durch den Westfälischen Frieden die evangelische Kirche in den schlesischen Erbfürstentümern direkt unter die Kontrolle des Heiligen Römischen Kaisers Ferdinand III gestellt und damit die evangelische Mehrheit der Bevölkerung ihrer bisherigen Religionsfreiheit und fast aller ihrer Kirchen beraubt. Dank schwedischer diplomatischer Intervention erteilte jedoch der Kaiser die Genehmigung zum Bau von drei Kirchen unter äußerst strengen Bedingungen: Die Kirchen mussten außerhalb der Stadtgrenzen liegen, durften nur aus Holz und Lehm gebaut werden, keinen Turm besitzen und – ihr Bau musste innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Die Gemeinden sammelten daraufhin Spenden und beauftragten den Architekten und Ingenieur Albrecht von Säbisch mit dem Bau. Seine Werke stellten den Höhepunkt der Holzrahmenbautechnologie dar und überdauerten trotz der Vergänglichkeit der verwendeten Materialien Hunderte von Jahren. Die Heilig-Geist-Kirche in Jawor wurde 1654–1655 als rechteckige dreischiffige Basilika mit dreiseitigem Chor erbaut, die Kirche der Hl. Dreifaltigkeit in Świdnica 1656–1657 als dreischiffige Basilika mit griechischem Kreuzgrundriss. Die Kirchen verfügen über mehrstöckige Galerien, um Platz für Tausende Besucher zu schaffen. Ihre reiche Ausstattung aus den folgenden Jahrzehnten verbindet üppige barocke Formen und komplexe Bilder aus der lutherischer Theologie und der sozialen Hierarchie der Zeit mit ihrem architektonischen Rahmen. Die Friedenskirchen in Jawor und Świdnica stehen seit 2001 auf der UNESCO-Welterbeliste und hier geht es zum Einführungsvideo. Die dritte der Friedenskirchen wurde 1652 in Glogau errichtet, brannte aber hundert Jahre später nieder.

Mein erster Besuch gilt der Friedenskirche in Jawor. Es ist nachmittags, der Park um die Kirche fast menschenleer. Von außen wirkt der Bau eher wie ein riesiges Fachwerkhaus, als eine Kirche. Nur ein Jahr hat der Bau damals gedauert, ich kann es kaum glauben.

Ich trete ein, bin auch hier ganz alleine und kann mich in Ruhe meinen Beobachtungen und Gedanken hingeben. Man hat mir eine Erläuterung in deutsch eingespielt, die mich auf meinem Rundgang begleitet und meinen Blick zu den bunten Bildern der adligen Familien oder der barocken Kanzel lenkt. Hier ist mein kleines Video.

Ich schaue mir die Bilder an und bewundere die aufwändige Wand- und Deckenbemalung und Ausstattung. Der Bau war aus Spenden finanziert worden, zu den Gottesdiensten kamen 6.000 Besucher, zu besonderen Anlässen noch mehr.

Die zweite Kirche in Świdnica besuche ich gegen Abend. Sie liegt von einem größeren Park umgeben, unweit steht der später errichtete Glockenturm. Sie ist schon von außen deutlich anders gestaltet als die in Jawor.

Innen ist die Kirche prunkvoll und ganz in barocker Pracht und Schwülstigkeit ausgestattet. Ihr Grundriss erlaubt noch mehr Blickwinkel und Raum für üppige Skulpturen, Bilder und Schnitzereien. Jeder Quadratzentimeter ist bemalt und reich verziert. (Video)

Diese Kirche fasste 7.500 Personen und hatte alleine 3.000 Sitzplätze. Die Loge der Adelsfamilie Hohberg, die alleine 2.000 Eichen für den Bau spendete, fällt ins Auge.

Resümee

Die Friedenskirchen anzuschauen ist ein ganz besonderes Erlebnis und man sollte an den beiden kleinen Städten nicht achtlos vorbeifahren. Tritt man in den mehr oder minder schlichten Fachwerkbau ein, stellt sich sofort ein Wow-Erlebnis ein. Doch nicht nur die wunderschöne bunte Ausstattung, nein, sich vorzustellen, in welcher Zeit und unter welchen Bedingungen und Auflagen sie gebaut wurden, flößt einem auch aus heutiger Sicht mit ganz anderen technischen Möglichkeiten gewaltigen Respekt ein. Mir persönlich hat die Kirche in Jawor besser gefallen, aber das ist ja zum Glück Sache des individuellen Geschmacks und sicher auch ein bisschen die der Besuchsreihenfolge und des daraus resultierenden Überraschungseffektes.

Als ich die Kirche verlasse, beginnt wieder der in diesem Frühling allgegenwärtige Regen und ich begebe mich auf die Weiterfahrt zu meinem nächsten Ziel aus modernerer Zeit, der Jahrhunderthalle in Wrocław.

Die gesamte Tour go-east ist hier beschrieben. Hier gehts zu meinem Welterbe-Projekt. Der Umbau meines Dacia Dokker als Minicamper ist hier detailliert nachzulesen. Dobbys nach und nach angepasste Einrichtung und Ausstattung hat sich auch in diesem kalten und nassen Frühjahr bewährt. Meine Übernachtungsplätze habe ich wieder auf park4night gesucht und unter 5Reisende bewertet.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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