Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – A – Wien

Historisches Zentrum von Wien

Auf unserer Rückfahrt von Budapest nach Norden ist unser Ziel die nächste Welterbe-Großstadt – Wien. Unterwegs begleiten wir die Donau und besichtigen einige Orte, die uns der ADAC empfiehlt.

Das historische Zentrum von Wien steht seit 2001 auf der UNESCO-Welterbeliste. Die Stadt bildete sich aus Siedlungen der Kelten und Römer, sie wurde schließlich Hauptstadt und Herrschaftssitz Österreich-Ungarns, bekam politische und gesellschaftliche Bedeutung und verdiente sich durch ihren Einfluss auf die musikalischen Entwicklungen des 16. bis 20. Jahrhunderts ihren Titel “Musikhauptstadt Europas”. Wichtige Persönlichkeiten des Romantizismus und vor allem des Wiener Klassiszismus gingen hier ein und aus. Im historischen Zentrum findet man nicht nur ihre Spuren, sondern ein Ensemble gut erhaltener Zeugen des Mittelalters, des Barocks und der Gründerzeit – Kirchen, Klöster, Burgen und Schlösser sowie Wohn- und Verwaltungsgebäude. Das ist auch der Grund, warum Wien einen Platz auf der Liste bekam – so klar wie sonst nirgends sieht man hier den architektonischen Wandel über die Jahrhunderte (und darüber auch den politischer und kultureller Werte) und die verschiedenen Baustile so gut repräsentiert. Hier seht ihr den offiziellen Film und die Beschreibung und Begründung zum Welterbetitel.

Wir übernachten am Stadtrand, wo auch Dobby einen Stellplatz findet. Am Morgen nehmen wir die U-Bahn zum Karlsplatz (die öffentlichen Verkehrsmittel sind preiswert). Auffällig sind die alten Haltestellengebäude der U-Bahn in weiß und grün und auch die oxydierten Kupferdächer, die sich hier und da über Baumspitzen und Straßengewirr erheben.

Römische und Keltische Siedlungen, Wachstum im Mittelalter, Ausbreitung der Stadt

Den Grenzen der Innenstadt liegt die mittelalterliche Stadtmauer zugrunde, die seit dem Wachstum im 12. Jahrhundert* vorhanden war und im 17. Jahrhundert während der Osmanenkriege erneut errichtet wurde. Wir überqueren die Ringstraße, die heute an ihrer Stelle verläuft und betreten das Stadtzentrum. Weltkulturerbe ist das gesamte Stadtzentrum – Barocke Prachtbauten, Paläste und Burgen, die die Ringstraße säumen, Gärten und Parks, Gründerzeitbauten, Reiterstatuen, die auf riesigen Säulen thronen … nach dem zwar großen, aber doch filigranen Budapest bin ich von der schieren Wuchtigkeit erschlagen.

*Wahrscheinlich war Wien so schnell gewachsen, weil dort die Donauüberquerung möglich war – die nächste war an der Steinernen Brücke in Regensburg 400km flussaufwärts und auch dieser Stadt brachte ihre Lage einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung.

Wir umrunden die Oper, vorbei an heute noch leeren Touristenläden und Cafés und besuchen die Touri-Info. Dann fahren wir die Rolltreppe zum Kunstmuseum Albertina hinauf, zur Reiterstatue, an der sich sonst die Touristen drängen und man zu tun hat, ein Foto von der Panoramaplatform herunter zu bekommen, auf dem ein fremder Hinterkopf zumindest nicht den Hauptteil der Bildfläche ausmacht. Heute sind wir hier allein. Auch das Museum ist einen Besuch wert, heute jedoch wollen wir das schöne Wetter nutzen. Wieder hinunter und in den Burggarten – am Palmenhaus mit Schmetterlingsgarten vorbei und dann zum Mozart-Denkmal.*

*Linda hat wieder interessante Punkte in den Stadtplan eingetragen. Leider hat man in der Touri-Info keinen Plan mit den besonderen Gebäuden, die das UNESCO-Welterbe ausmachen, schade.

In der Innenstadt sehen wir Klöster und Kirchen aus dem 13., 14. und schließlich den Stephansdom aus dem 15. Jahrhundert. Interessant zu wissen ist, dass Kirchen und Klöster zumeist bis heute überlebt haben, weil sie als Teil der Befestigung der Stadt aus Stein gebaut wurden, während Wohnhäuser aus Holz meist Feuern zum Opfer fielen.

Von den vormittelalterlichen Strukturen ist höchstens noch am Namen erkennbar, wo sie verliefen – so war die Hauptgeschäftsmeile “Graben” wohl unverkennbar der Stadtgraben, obwohl die Häuserfronten nun eher nach Barock aussehen.

Die schmalere Naglergasse entspricht genau meinen Vorstellungen einer beschaulichen alten Stadt mit den bunten Häusern, die irgendwie feiner und zerbrechlicher wirken als die gewaltigen Paläste, zwischen denen man hier sonst erschlagen wird. Zurück auf den Graben, auf dem ich der Vollständigkeit halber die Pestsäule erwähnen muss, deren goldene Statuen im Sonnenlicht glänzen.

Weiter zum Stephansdom, der sich in der Glasfront des Haas-Hauses spiegelt. Man kann noch nicht hinauf*, aber im Modegeschäft im Haas-Haus kann man zumindest in den zweiten Stock fahren und hat einen schönen Blick auf den Dom und umstehende Häuser. Auf den ersten Blick fällt die kleine Unegalität gar nicht auf, doch die beiden Türme sind nicht gleich hoch. Genauer gesagt fehlt dem Nordturm die Spitze und damit ist er ganze 67m kürzer als der Südturm. Ein Blick in die Baugeschichte erklärt das aber so gut, dass man es den Bauherren nur nachsehen kann. Tatsächlich begann der Bau des Doms schon im Jahr 1302, allerdings wurden die Baumeister durch Zerstörung und Brände immer wieder um Jahrzehnte zurück geworfen, sodass ihnen schließlich das Geld ausging und dem Nordturm nur noch eine kleine Kuppel aufgesetzt werden konnte.

*In den Dom hineinschauen kann man übrigens kostenlos und für die Komplettbegehung zahlt man einen anständigen Preis von 1€.

Barock und Barockisierung: 1683 – frühes 19.Jh

Als Wien 1683 Hauptstadt des Habsburger Reiches wurde, fand im Zuge des schnellen Wachstums auch eine Barockisierung statt. Zusätzlich zur Erbauung von neuen Palästen wie dem Schloss Belvedere durch den Adel, wurden schon vorhandenen Gebäuden auch barocke Merkmale hinzugefügt – Kirchen, Klöster, Wohn- und repräsentative Verwaltungsgebäude wurden nach neuen Idealen umgestaltet*. Es war zu dieser Zeit, dass Mozart, Beethoven und Schubert durch die Straßen und Parks flanierten.

*In dieser Zeit erhielt auch die Bibliothek einen Umbau und ihren Prachtsaal verliehen, den zu besichtigen für jeden Büchernarren ein absolutes Muss ist.

1840 bis ins 20. Jahrhundert hinein: Historismus der Gründerzeit – Neugestaltung der Ringstraße

Nun endlich zur Geschichte der Ringstraße: Mitte des 19. Jahrhunderts, als das Stadtgebiet erweitert wurde, entschied man sich endlich gegen die Befestigungsanlagen der Stadtmauer und für ein städteplanerisches Großprojekt, das noch heute als ein bedeutender Meilenstein auch in der sozioökonomischen Entwicklung Europas gilt.

Für die Hofburg, die in Teilen schon seit der Barockisierung der Innenstadt existierte, entstanden große Pläne für eine Erweiterung um zwei Flügel, die gemeinsam mit den neuen Gebäuden des Museumsquartiers auf der anderen Seite der Ringstraße den Heldenplatz umgrenzen sollten. Nach großem Architektenwettbewerb entschied der Schiedsrichter Gottfried Semper (Semperoper Dresden), dass er es doch lieber selbst machen wolle. Letzten Endes wurde jedoch auch sein Entwurf dieses sogenannten “Kaiserforums” nicht vollends umgesetzt. So gibt es heute den Leopoldstrakt (barocke Hofburg, heute der Sitz der Regierung Österreichs) und nur einen neuen Flügel, die Neue Hofburg. Außerdem außerhalb der Ringstraße das Museumsquartier mit Kunsthistorischem und Naturhistorischem Museum. Dazwischen liegen der Maria-Theresien-Platz auf der Außen- bzw. der Heldenplatz auf der Innenseite.

Den Ring entlang geht das Ensemble außen weiter mit Parlament und Rathaus und innen mit dem sich an den Heldenplatz anschließenden Volksgarten und dann dem Burgtheater*. Im Volksgarten gehen wir am Sissi-Brunnen vorbei und lauschen kurz bei einer allein der Lieblingskaiserin gewidmeten Führung, dann gehen wir zur Mitte und freuen uns im Frühsommer hier zu sein, denn die üppigen Rosenbüsche stehen in voller Blüte.

*Das Burgtheater kann natürlich zur Zeit keine Vorstellungen geben und hat statt der Programmankündigung Plakate von Schauspielern mit Mund-Nasen-Schutz aufgehängt. Wenn es wieder öffnet ist ein Besuch aber allemal zu empfehlen – zu sehr viel günstigeren Preisen, als man denken würde, bekommt man auch kurz vor der Vorstellung noch Karten!

Auch die Universität, die Oper, die Börse, … und so ziemlich jedes andere wuchtige Gebäude an der Ringstraße kann dieser Bauwut zugeschrieben werden.

Wir machen einen Ausflug in die Wiener Burgeoisie – oder zumindest das, was wir dafür halten und was für das gemeine Volk erreichbar ist. Wir essen ein Stück überteuerte Torte und trinken einen exzellenten, aber noch teureren Kaffee im Café Central.* Die Preise sind wie erwartet und sonst in Wien auch nich geringer, das Dekor übertrifft unsere Vorstellungen und wir outen uns (sollte das die Spiegelreflex um den Hals noch nicht erledigt haben) durch nicht sehr unauffällige Benutzung derselben.

*Während Corona verzichtet man auf Menükarten und hat stattdessen Aussteller mit QR-Codes auf den Tischen verteilt.

Fin de Siècle, Jugendstil = Secession in Österreich

Nachdem der Historismus die gesamte Gründerzeit über – nicht zuletzt bei der Neubebauung der Ringstraße – das Wiener Stadtbild dominiert hatte, kamen um die Jahrhundertwende Einflüsse der Art Nouveau hinzu, die vor allem kurz außerhalb der Innenstadt zu finden sind. Ein Gang zum Naschmarkt beispielsweise führt von der Oper aus an einem weißen Haus mit goldenem Schmuck, der “Secession” vorbei, das ein Museum für Moderne Kunst beherbergt. Es trägt sogar den Namen, den der Jugendstil in Österreich und Ungarn hatte. Ich kann mir gut vorstellen, dass das extra gemacht wurde, um Kunst- und Architektur-Laien wie uns die Orientierung zu erleichtern – obwohl wir Jugendstil ja nun aus Budapest erkannt hätten.

Obwohl der Naschmarkt gerade jetzt, wo noch nicht so ein fürchterliches Gedränge herrscht, besonders einladend ist und wir ja große Markt- und Markthallen-Fans sind, zieht es uns zum Abschluss unseres Rundgangs zu den Gebäuden links und rechts des Marktes – die Linke Wienzeile hat so einige Jugendstilfassaden zu bieten. Bis ganz zum Schluss gehen wir und auf Höhe der U-Bahnhaltestelle Kettenbrückengasse finden wir die Linke Wienzeile 40 – die blumenberankte Hausfront wurde vom Wiener Jugendstil-Vorreiter Otto Wagner persönlich erdacht. Dann fahren wir mit der U-Bahn zurück zu Dobby (übrigens sind auch die Stadtbahnhaltestellen, die mir den ganzen Tag schon so gut gefallen, im Stil der Secession gestaltet).

Hier noch wie gewohnt die Karten:

Hier gehts zu meinem Welterbe-Projekt und hier zum Umbau des Dacia-Dokker als Minicamper.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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