Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – NL – Dampfpumpwerk Wouda bei Lemmer (Woudagemaal)

100 Jahre alte Technik mit wasserwirtschaftlicher Präzision

Das Pumpwerk Wouda (Woudagemaal) in Lemmer in der Provinz Friesland steht seit 1998 auf der UNESCO-Welterbeliste. Es wurde 1920 als größte und leistungsstärkste dampfbetriebene Anlage für hydraulische Zwecke, die jemals gebaut wurde, in Betrieb genommen. Die Pumpstation wurde gebaut, um eine Überflutung der tiefliegenden Gebiete Frieslands zu verhindern. Dabei lieferte Anfang des letzten Jahrhunderts der Einsatz der Dampfkraft als Energiequelle den niederländischen Ingenieuren ein neues leistungsstarkes Werkzeug für ihre tausendjährige Aufgabe. Das Pumpwerk in Lemmer war zum Zeitpunkt seiner Errichtung das größte und technologisch fortschrittlichste Dampfpumpwerk der Welt und ist bis heute erfolgreich in Betrieb. Die einzigen wesentliche Änderungen waren 1955 der Austausch der acht ursprünglichen Kessel durch vier Anlagen mit größerer Kapazität und 1967 deren Umstellung von Kohle- auf Heizölfeuerung. Hier gibt es ein Video zur Einstimmung.

Auf meinen Weg nach Lemmer fahre ich durch die dem Wasser abgerungene Landschaft. Entwässerungskanäle begleiten die Straße und durchtrennen die Felder, meine Straße über- oder unterquert die Wasserstraßen. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, unter einem Segelboot durchzufahren. Ich komme über Schleusen, halte an Hebebrücken und mache mir so meine Gedanken über den für unsere Verhältnisse hohen Wasserstand in den Kanälen. Doch darüber werde ich gleich mehr erfahren, denn ich habe den Parkplatz des Woudagemaal erreicht.

Das architektonisch eindrucksvolle große Pumpwerk präsentiert sich im spiegelnden Wasser. Im Welterbezentrum kann ich mich gleich einer Gruppe mit einer Führung in Deutsch anschließen und erfahre auf der einstündigen Runde Interessantes und Spannendes über Land, Leute, Technik und Geschichte.

Der größte Teil der Niederlande liegt unterhalb des Meeresspiegels, hier in Friesland ist der Wasserspiegel genau 52 cm darunter. Und der wird präzise auf diesem Niveau gehalten, damit die Schiffe auf den Kanälen einerseits nicht aufsitzen, andererseits aber auch unter den Brücken durchkommen. Welch eine Herausforderung, denke ich mir. Diese Präzision erklärt natürlich meine Beobachtungen unterwegs. Um das alles zu steuern – höre ich auf dem Rundgang und kann ich dem Informationsmaterial entnehmen, das ich bekommen habe – gibt es alleine in Friesland 8.000 Messpegel, 1.000 Pumpwerke, 11.000 Wehre und 40.000 km Wassergräben und Kanäle. Beschützt wird das Land durch 200 km Meer- und 3.400 km Polderdeiche.

Das Wouda-Pumpwerk ist eines der zwei IJsselmeer*-Pumpwerke, die die drei See-Pumpwerke unterstützen. Im Normalfall wird der Wasserstand durch die Nutzung von Ebbe und Flut energiegünstiger reguliert.

*Das IJsselmeer hat ja inzwischen das Süßwasser und ist das Trinkwasserreservoir der Niederlande.

Das Wouda-Pumpwerk läuft planmäßig zweimal im Jahr zu Unterhaltungszwecken und natürlich, wenn seine Leistung benötigt wird – das letzte Mal beim Hochwasser 2020. Nach einer Anlaufzeit von einem Tag funktioniert es genau wie früher mit der stolzen Pumpleistung von 4.000 m³/min. Nur damals wurden dafür Tausende Tonnen Kohle täglich verfeuert und der schwarze Ruß durch den 60 m hohen Schornstein ins Umland verteilt, jetzt geht das umweltschonender mit Schweröl und Diesel.

Wir betreten zunächst die Halle mit den Dampfmaschinen, den vielen Messgeräten und den, je nach Inhalt, farbigen Rohrleitungen.

Die Halle mit den Pumpen ist wunderschön, im Stil der Produktionsstätten zu Anfang des letzten Jahrhunderts, gestaltet und erinnert mich mit ihren Fliesen und Reliefs an meinen Besuch im norwegischen Wasserkraftwerk Rjukan.

Meinen Rundgang schließe ich mit einem Besuch des Welterbezentrums ab. Hier laufen Filme, gibt es 360°- und Funktionsmodelle der Anlagen. Besonders interessant finde ich auch die Erläuterungen zum Zusammenhang von Wasser, Poldern, Bauen im Laufe der Geschichte, ökologischen Kreisläufen und Einflüssen des und auf den Klimawandel.

Resümee

Ein Besuch im Dampfpumpwerk Wouda ist nicht nur unheimlich interessant und führt durch ein technisches Denkmal, das heute noch wie ein Uhrwerk läuft. Er bringt viel Hintergrundwissen über das Leben in einer Landschaft unterhalb des Meeresspiegels, das notwendige technische Know How und Management. Das Welterbezentrum beinhaltet eine vielschichtige Ausstellung, in der man viel Zeit verbringen kann.

Nach meiner Besichtigung des Woudagemaal in Lemmer sehe ich vieles am Wegesrand genauer und unter anderem Blickwinkel und bin gut vorbereitet auf meine weiteren Welterbe-Besuche.

Tipp: Die gesamte Benelux-Tour ist hier beschrieben, die besuchten Ziele in diesem Blog. Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die aktuellen Komplettierungen habe ich hier beschrieben. Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet und kann sie empfehlen.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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