Der Spätsommer verwöhnt uns mit Sonne satt und wir starten voller Vorfreude gen Westen. Die Landschaft wird immer flacher und ich fühle mich förmlich in Randholland. Wenig später werde ich an mein jahrzehntelanges Zuhause erinnert, als wir den Hambacher Braunkohle-Tagebau passieren. Aachen empfängt uns vormittäglich ruhig, wir bekommen sogar noch einen moderat bezahlbaren Parkplatz unmittelbar am Altstadtzentrum (Pontstraße).
Der Aachener Dom ist nicht nur das erste UNESCO-Welterbe in Deutschland (1978), sondern auch die Nummer 3 auf der Welterbeliste. Eine besonders gute Einstimmung auf den Besuch gibt diese 3D-Animation. Der Aachener Dom hat seinen Ursprung in der Pfalzkapelle Karls des Großen, der seine Lieblingsresidenz am Platz des heutigen Rathauses hatte. Das zentrale Gebäude des Doms, das karolingische Oktogon, gebaut zwischen 795 und 803 als Pfalzkapelle der Aachener Königspfalz, ist das bedeutendste architektonische Beispiel für die karolingische Renaissance. Karl der Große wurde 814 hier begraben. Der Dom umfasst heute mehreren Teilbauten aus dem Frühmittelalter bis hin zur Neuzeit. Die Stiftskirche war von 936 bis 1531 Krönungsort römisch-deutscher Könige und zugleich Ort des Karlskultes. Der Dom beherbergt den größten Kirchenschatz nördlich der Alpen und entwickelte sich seit dem 14. Jahrhundert zu einem bedeutenden Wallfahrtsort. Aller sieben Jahre finden bis heute Heiligtumsfahrten statt, bei denen die Reliquien gezeigt werden.
Stadtrundgang
Das bunt zusammengewürfelte, hübsch zurechtgemachte Zentrum mit seinen schmalen kopfsteingepflasterten Gassen, den vielen individuellen Cafés, Restaurants, Lädchen und schön in Szene gesetzten Details lässt nicht vermuten, dass die Stadt insgesamt doch recht groß ist. Sie hat das Flair einer Studenten-, und noch mehr einer Europa-Stadt. Wir fühlen uns gleich wohl und betreten bester Laune den Platz vor dem Rathaus.
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Wir beginnen unseren Rundgang am beeindruckenden historischen Rathaus. Dieser imposante Bau hat schon vieles erlebt, in seinen Sälen wurde Geschichte geschrieben und hier fangen Geschichten an. Davon zeugen die Brautpaare, die für schöne Fotos auf den Treppen oder am Karlsbrunnen posieren. Auch unsere Kameras klicken.
Rathaus
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Zwischen Rathaus und Dom ist gerade Wochenmarkt. Fast könnte man sich an den Obst- und Blumenständen in Karls Zeit versetzt fühlen, doch das Riesenrad holt uns in die Gegenwart zurück.
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Auf zum Dom – der erste Blick hinein verschlägt den Atem und wir umrunden begeistert das Oktogon und stehen unter dem Barbarossa-Leuchter. Obwohl langsam immer mehr Gäste in der Stadt zu sehen und englisch und französisch zu hören sind, können wir Karten für eine der, coronabedingt kleineren, Führungen bekommen*.
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*Der Eintritt ist, wie alles in Aachen, überraschend preiswert/ für Geschichtsstudenten sogar kostenlos und die Karte für die Schatzkammer gilt für den ganzen Tag und mehrmaligen Besuch.
Schatzkammer
Wir überbrücken die Wartezeit mit einem Besuch in der berühmten Schatzkammer. Hier werden nicht nur die beeindruckenden Schätze wunderbar in Szene gesetzt, sondern auch die Geschichten dazu erzählt. Die große Ausstellung ist thematisch unterteilt und eine gelungene Vorbereitung oder Ergänzung des Dombesuchs.
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Dom
Karl der Große, der sich als Nachfolger römischer Kaiser sah, ließ sich neben seiner Residenz eine Pfalzkirche bauen. Hier wurde er später auch begraben. Im Zuge der Karls-Verehrung diente die sie als Krönungskirche deutscher Könige. Durch ihre vielen Schätze und Reliqien wurde sie auch Heiligtums- und Wallfahrtskirche. Unsere Domführung beginnt an den noch ursprünglichen und ehemals goldenen Paradies- oder auch “Wolfstoren”, um die sich die Dombaulegende rankt, die ich an dieser Stelle nicht verraten möchte. Nur soviel – die Figuren im Eingangsbereich gehören dazu.
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Inspiration für das Oktogon bekam Karl der Große aus Ravenna und von der Hagia Sofia. Ursprünglich war die Farbgestaltung der Wände wahrscheinlich weiß mit blauen Steinen auf dem Boden, um das Licht besser einzufangen und zu reflektieren. Die Marmorverkleidungen und Mosaike wurden später aufgebracht und durch künstliches Licht in Szene gesetzt. Die Bronzegitter sind jedoch noch ursprünglich – Gold- und Kupferschmiedekunst hat sich bis heute in Aachen erhalten. Die Säulen im oberen Bereich ließ Karl der Große extra aus Ravenna und Rom bringen, da sie nur dem Schmuck dienen und nichts tragen, wurden einige davon unter Napoleon geraubt und vier sind im Louvre tragend verbaut und fehlen deshalb hier.
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Der Barbarossaleuchter (von 1165-1170) wurde von Friedrich I. gestiftet, der sich als Karls Nachfolger sah und dessen Heiligsprechung vorantreiben wollte. Der Leuchter symbolisiert in seiner Form das himmlische Jerusalem.
Die Marienstatue bekommt aller drei bis vier Wochen aus ihrem großen und ständig wachsenden Repertoire neue Kleider und Schmuck. Interessant ist, dass sie die einzige noch erhaltene englische Krone aus dem Mittelalter besitzt, die extra für sie angefertigt wurde. Die Königskronen in England wurden im Zuge des Bürgerkrieges und der Enthauptung Charles I 1649 eingeschmolzen, während die Aachener Marienkrone noch immer in der Schatzkammer zu finden ist.
In der oberen Etage steht der schlichte Thron, dessen Wert darin besteht, dass er aus Bodenplatten aus der Grabeskirche in Jerusalem gefertigt sein soll. Ein eingeritztes Damespiel an der rechten Seite ist der Beweis für die frühere anderweitige Verwendung. Der Thron ist karolingischen Ursprungs, ob Karl der Große selbst darauf gesessen hat, ist nicht erwiesen. Nachfolgende Könige (keine Königinnen) wurden wahrscheinlich jedoch hier mit Blick auf den Altar – heute steht dort die Orgel – inthronisiert. Der Thron ist zwischen seinen Füßen blankgewetzt, weil viele der Pilger anlässlich der Heiligtumspräsentation keine Gelegenheit zur Beichte bekamen und stattdessen hier unten durchkrabbeln konnten. Heutigen Besuchern bleibt jedoch das Anfassen verwehrt.
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Der Choranbau diente der Erweiterung des Doms, der für die vielen Pilger zu klein wurde. Obwohl der Dom glücklicherweise über die Jahrhunderte gut erhalten geblieben ist, wurden die Fenster durch eine Druckwelle im zweiten Weltkrieg zerstört und sind deshalb neueren Datums.
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Hier stehen die berühmten Reliqienschreine. Der erste von 1220 ist den geistlichen Werten gewidmet. Er zeigt Karl den Großen und Maria mit jeweils sechs Aposteln, Papst Leo III. und Jesus und enthält die vier Heiligtümer (Jesu Windel und Lendentuch, Marias Kleid bei der Geburt und das Kopftuch von Johannes dem Täufer). Wie er verschlossen wird, erfahrt ihr in der Domführung. Im zweiten Schrein von 1137 geht um den weltlichen Wert. Er soll, und das ist wohl wissenschaftlich relativ bestätigt (Karl der Große war der Überlieferung nach ca. 1,80 Meter groß und wurde etwa 67 Jahre alt), 94 Knochen und Fragmente von Karls Skelett enthalten.
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Interessant ist auch die goldene Kanzel, sie ist verziert mit Schachfiguren, einer Teetasse und Kristallschale.
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Resümee
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Ein herzliches Dankeschön an unsere Domführerin, die locker mit einem verschmitzten Lächeln durch Raum, Zeit, Religion, Geschichte, Legenden und Wissenschaft geführt hat. Aachen steht nicht nur ganz oben auf der UNESCO-, sondern auch auf meiner Empfehlungsliste für einen wundervollen Ausflugs-Tag in Geschichte und Gegenwart.
Tipp:
Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.
Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende).
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