Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – D – Karolingisches Westwerk und Civitas Corvey

Auf die Spuren der Karolinger in die Zeit Karls des Großen haben mich schon zwei meiner bisher besuchten Welterbe geführt – das Kloster Lorsch und der Aachener Dom. Auf der Fahrt von Sachsen in den Westen lasse ich die Bilder Revue passieren. Mein heutiges Ziel, das Kloster Corvey, liegt an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, direkt an der Weser.

Ich bin am späten Vormittag gestartet und fahre etwas gegen die Zeit, besser gesagt, gegen die aufziehenden Wolken. Die Stimme in meinem Navi führt mich, wie üblich, über die kleinsten Sträßchen und ich komme über Berge, zwischen blühenden Feldern und schließlich durch eine beieindruckende Allee auf das Schloss zu.

Das Benediktinerkloster Corvey war eines der einfussreichsten Klöster des fränkischen Reiches mit Missionsauftrag gen Osten und wurde im 9. und 10. Jahrhundert geistiges und kulturelles Zentrum der Sachsen, ein ungeplantes Heimspiel also heute für mich. Danach hatte das Kloster eine wechselvolle Geschichte, von denen ich einige Zeugnisse heute zu sehen hoffe.

Das Westwerk des Klosters Corvey steht als einziges Beispiel eines in wesentlichen Teilen original erhaltenen Westwerksgebäudes aus der Karolingerzeit seit 2014 auf der UNESCO-Welterbeliste. Es wurde ab etwa 815 errichtet.

Wegen des Namens musste ich mich belesen. Westwerk heißt ein Anbau an die Klosterkirche, der weltlichen Zwecken, wie z.B. beim Aufenthalt durchreisender Fürsten und Könige, vorbehalten blieb. Die Westwerksbauwerke mit ihren imposanten Türmen haben die westliche kirchliche romanische und gotische Architektur erheblich beeinflusst. Im Erdgeschoss befindet sich eine Durchgangshalle zur Kirche, über die charakteristischen Treppentürme gelangt man zum Saal mit Galerien zum Kloster hin und einer Empore mit Blick in die Kirche. Ich erinnere mich – eine Königshalle habe ich in Lorsch gesehen, die Empore mit dem Kaiserthron im Dom zu Aachen. Das Kloster Corvey war über Jahrhunderte geistiges und religiöses Zentrum und eines der reichsten und einflussreichsten Klöster, besaß Güter, Erzminen und das Münzrecht. Daneben betrieb es eine Schule und verfügte über eine umfangreiche Klosterbibliothek, deren Schätze heute in verschiedenen Museen aufbewahrt werden. Zum Welterbe gehören auch die Grundmauern der mit dem Kloster verbundenen Stadt, die Civitas Corvey.

Ich parke Dobby im Schatten unter den Bäumen und begebe mich zum Portal des Schlosses.

Schon von Weitem kann ich die Türme des Westwerkes sehen und zu meiner großen Freude ist der Zugang für Besucher schon geöffnet. Zwar bin ich für die Schlossrunde heute schon zu spät dran, aber für meine Welterbemission reicht die Zeit und so stehe ich schon bald ehrfurchtsvoll vor dem großen Bau des Westwerks.

Ich trete in die Säulenhalle und schaue mir die Reste der Wandmalerei an. Leider wird das Obergeschoss, in dem die beeindruckenderen Wandmalereien, Friese und Stuckfiguren zu sehen wären, in diesem Jahr restauriert. Da werde ich wohl noch einmal auf einer anderen Tour hier vorbeischauen. Einen Eindruck von der Größe und Großartigkeit des Bauwerkes habe ich heute aber allemal bekommen.

Der Besuch in Corvey hält am Rande des Welterbes noch weitere Sehenswürdigkeiten bereit. Vom Westwerk aus gelangt man in die barocke Klosterkirche aus dem 17. Jahrhundert – die Basilika St. Stephanus und St. Vitus. Sie wurde anstelle der ehemaligen karolingische Kirche gebaut. Das Innere der Basilika beeindruckt mit seiner opulenten Ausstattung und Bemalung.

Neben der Kirche befindet sich ein kleiner Friedhof. Hier befindet sich das Grab des Dichters August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der hier die Bibliothek des ehemaligen Schlossherren verwaltete und zu einer bedeutenden Sammlung erweiterte.

Das Schloss ist seit dem frühen 19. Jahrhundert im Privatbesitz und wurde und wird von den Herzögen von Ratibor bewohnt. Ein Teil der Anlagen ist Museum bzw. steht für kulturelle Veranstaltungen offen. Dass ich das Schloss heute nicht besichtigen kann, ärgert mich nicht wirklich, denn ich bin ja wegen des Welterbes hier und alljährlich im Sommer gibt es im Schloss die hervorragende Gelegenheit, den Besuch eines dreitägigen Gartenfestes mit der Besichtigung zu verbinden.

Vor dem aufziehenden Regen mache ich noch einen Spaziergang entlang der Weser, die gleich neben dem Kloster recht idyllisch in Mäandern fließt. Hier verläuft ein Radweg und es kann gepaddelt werden.

Vor den ersten Regentropfen flüchte ich ins Auto und kann nur zwischen den Scheibenwischern einige Blicke in des hübsche bunte Altstadtzentrum von Höxter werfen, das eigentlich auch einen Bummel wert gewesen wäre.

Resümee

Die Zeugen aus der Karolingerzeit haben fast 1200 Jahre überdauert und man kann nur bestaunen, was mit den damaligen Mitteln geschaffen wurde. Erhalten ist meist nur ein Bauwerk oder Teil, aber die karolingischen Welterbe präsentieren sich im Zusammenhang mit ihrem Umfeld. In Corvey liefert die barocke Kirche einen zusätzlichen Geschichtsbaustein und die schöne Schlossanlage einen weiteren.

Verbunden mit dem Spaziergang an der Weser war mein heutiger Besuch, wenngleich ich den schönsten Teil des Westwerks leider nicht sehen konnte, ein voller Erfolg. Sollte mich mein Weg noch einmal in die Nähe führen – Corvey und Höxter fahre ich auf jeden Fall wieder an.

Linktipp: Flyer des Welterbes Corvey .

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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