Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – D – Montanregion Erzgebirge / Krušnohoří

Das Erzgebirge ist einer der neuesten Einträge auf der UNESCO-Liste und wiederum ein grenzübergreifendes Welterbe. Die Region blickt auf eine 800 jährige Bergbautradition zurück. Hier wurde seit dem 12. Jahrhundert Silber abgebaut und im 15. und 16. Jahrhundert war das Gebiet die wichtigste Silbererzquelle Europas. Das zweite bedeutende Metallvorkommen der Region war Zinn. Ende des 19. Jahrhunderts kam, und das machte z.B. die Fundgrube Weißer Hirsch weltbekannt, der Uranabbau dazu. Aus dem außerdem hier gewonnenen Kobalt wurde seit dem 16. Jahrhundert die blaue Farbe für das Meißner Porzellan oder die niederländischen Kacheln hergestellt. Verbunden mit dem Bergbau wurden wegweisende Technologien zur Aufbereitung, Schmelze und Verarbeitung entwickelt. Das Welterbe umfasst bergbautechnische Anlagen, Stollen und Schächte, Erzwäschen, Halden, Wälder, Wasserwirtschaftssysteme, Verkehrsinfrastruktur, aber auch Verwaltung und Städtebau, die Universität Bergakademie Freiberg, Kirchen, Silbermünzen, Tradition und Volkskunst (die allseits bekannten Schwibbögen, Räuchermännchen, Nussknacker und Weihnachtspyramiden haben ihre Wiege im Erzgebirge).

Es ist Pfingssonntag und entgegen der schlechten Wettervorhersage scheint morgends die Sonne. Wir starten zeitig nach Süden Richtung tschechische Grenze in die Bergbauregion Erzgebirge / Krušnohoří . Im Jahr 2019 wurden aus der Region 22 geschichtsträchtige Stätten in die Welterbeliste aufgenommen. 17 davon liegen auf deutscher Seite. Wir haben in den letzten Tagen viel gelesen, auf die Karte geschaut und einige wenige für unsere heutige Route ausgewählt. Das ist uns bei der Vielzahl der interessanten Orte nicht leicht gefallen. Da die Museen noch geschlossen hatten (das hat sich in den letzten Tagen geändert), haben wir für Freiberg mit seiner absolut sehenswerten Mineraliensammlung im Schloss und seinem Schaubergwerk von unseren Erinnerungen aus früheren Jahren gezehrt und das Museum für Mittelaterlichen Bergbau in Dippoldiswalde auf einen vielleicht späteren Besuch vertagt. Stattdessen haben wir heute drei der kleineren Bergbaustädte besucht. Unsere Wanderung in der Bergbaulandschaft Rother Berg fiel letztlich der Zeit und dem aufziehenden Regen zum Opfer, also ein doppelter Grund für einen zweiten Besuch.

Viele der Schacht- und Verarbeitungsanlagen sind authentisch erhalten oder wurden und werden durch Fördervereine zu neuem Leben erweckt. Die erzgebirgische Tradition wird seit alters her hier gepflegt und gelebt. Überall begrüßen uns die Schilder – Wir sind Welterbe – und die Region ist stolz auf ihre besondere Geschichte und das, was sie den Besuchern davon zu berichten hat.

Unsere Besichtigungsrunde beginnen wir in:

Marienberg

Wir fahren in der Morgensonne nach Süden, die Landschaft wird hügelig und in der Ferne erscheinen die Berge, später darf sich Dobby auf Serpentinen beweisen. Das Städtchen Marienberg erreichen wir gefühlt vor allen anderen, parken unweit der Stadtmauer, betreten die abfallenden Gassen und nutzen die Gunst der Stunde für unverstellte Blicke über den quadratischen Marktplatz. Wir sind überrascht, einen so repräsentativen Platz vorzufinden. Marienberg ist auch etwas ganz Besonderes, denn die Stadt wurde, nachdem in der Region reiche Erzvorkommen entdeckt worden waren, nach den Regeln der Renaissance quasi auf dem Reißbrett entworfen und symmetrisch gebaut. Nahe dem Stadtzentrum steht die Kirche Sankt Marien. Sie ist eine der obersächsischen Hallenkirchen und wir können, da gerade ein Gottesdienst stattfindet, nur einen Blick durch die schöne Eingangstür werfen.

Weiter geht es über gewundene Straßen und Berge mit schönen Ausblicken ins Umland nach:

Annaberg/ Frohnau

Annaberg ist gefühlt eine wesentlich größere Stadt und wir versuchen, nahe des Zentrums zu parken, das ist heute kein Problem. Die Stadt liegt am Berg und meine Garmin-Uhr gratuliert mit nebenher zum Erreichen meiner Treppenziele. Das Altstadt-Zentrum ist ebenfalls symmetrisch entworfen, sogar der exponierte Standort der Stadtkirche wurde einbezogen. Annaberg hat neben dem schönen Rathaus prächtige Bürgerhäuser und Kirchen, das historische Gasthaus Wilder Mann sowie die Wirkungsstätten berühmter Männer, wie des Rechenmeisters Adam Ries und des Münzmeisters Lazarus Ercker, aufzuweisen. In der Umgebung befinden sich Schaubergwerke und das Frohnauer Hammerwerk.

Das Städtchen ist auf viele Besucher vorbereitet, heute ist es aber noch still und alles geschlossen. So bummeln wir fast alleine über den Marktplatz und durch die Gassen, vorbei am Haus von Adam Ries und der Bergkirche Sankt Marien und flüchten schließlich vor einer heftigen Regenhusche ins Foyer des Wilden Mann, wo wir nicht nur einen guten Kaffee, sondern auch ein stilles Örtchen finden (die öffentlichen sind ebenfalls alle im Lockdown). Dann steigen wir auf den Berg zur Stadtkirche Sankt Annen, die uns durch ihr faszinierendes Portal lockt.

Das gewaltige Schmiede-Hammerwek im Ortsteil Frohnau, unser nächstes Ziel, ist jedem Kind aus Mitteldeutschland ein Begriff, selbst ich habe es schon in meiner Schulzeit besucht. Das Museum ist noch geschlossen, aber ein kleines Hammerwerk steht davor und alleine schon das Örtchen mit seinen kleinen Fachwerkhäusern lohnt die Anfahrt.

Als drittes Ziel haben wir uns eine Altstadt aus einer anderen Epoche ausgesucht, die dazu noch interessante Bergbauzeugen in ihrer Umgebung bereithält:

Schneeberg

Nach den beiden Renaissancestädten können wir hier Barock bestaunen, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Die Sonne scheint wieder und als wir nach unserer Fahrt durch die Dörfer ins Stadtzentrum einbiegen, sind wir trotz unserer Vorbereitung überrascht – welch ein herrlicher Marktplatz. Die ursprüngliche Alstadt war 1719 einem Brand zum Opfer gefallen und so wurde Schneeberg im neuen Stil wieder aufgebaut. Wir können die verspielten Häuser mit den vielen Stuckelemente bewundern.

Ein Muss ist natürlich der Besuch der Sankt-Wolfgangs-Kirche mit dem Cranach-Altar. Beim Rundgang fallen die vielen Volkskunstgeschäfte auf und in der Stadt und den umgebenden Orten sind die Häuser sind mit Schwibbögen verziert.

Unmittelbar am Ortsrand stehen verschiedene Zeugnisse der alten Bergwerke und Anlagen, die sogenannten Fundgruben. Wir fahren zwei von ihnen an, die Sankt Georgen-Hütte mit dem Siebenschlehener Pochwerk und Fundgrube Wolfgang Maßen. Sie sind entweder schon als Museum eingerichtet oder werden von den Fördervereinen wieder aufgebaut. Der nächste Stopp ist am Filzteich, dem größten künstlichen Wasserspeicher zur Versorgung des Schneeberger Bergbaues, beendet unsere Runde. Heute wird er als Badesse genutzt.

Schindlers Werk

Rund um Schneeberg wurde Kobalt abgebaut und in Schindlers Blaufarbenwerk verarbeitet. Als Zulieferer der Meißner Porzellanmanufaktur wollen wir es uns unbedingt anschauen. Die Route leitet uns an die Rückseite des Werkes. Wir gehen ins Tal, hier ist alles abgeschlossen und versuchen schließlich kletternd, einen Blick über die Mauern zu erhaschen. Etwas enttäuscht kehren wir um und finden später schließlich auf der Seite des Fördervereins die Erklärung – Zutritt bekommt man nur mit einer vorangemeldeten Führung oder am Museumstag. Die Seite des Vereins söhnt uns wieder aus und gibt aber interessante Einblicke in die Geschichte, alte Pläne aus Archiven oder die im Werk entwickelten und heute weltweit angewandte Technologie zur Rauchgasentschwefelung.

Resümee

Voller Eindrücke treten wir am späten Nachmittag die Heimreise an. Das Erzgebirge hat uns überrascht, mit seinen historischen Städtchen, den Fachwerkdörfern, seinen Industriedenkmalen und seiner wunderbaren Landschaft. An jeder Ecke konnte man spüren, dass die Tradition hier lebendig ist.

Auch wenn wir die wirklich spektakulären Sachen, wie die Bergwerke und die Museen nicht gesehen haben, noch nicht alles fertiggestellt ist und die Ausschilderung einiger Sehenswürdigkeiten besser sein könnte, ist das Erzgebirge unbedingt einen Besuch wert und hat seinen Welterbetitel verdient. Unsere Runde heute war vielseitig und informativ und ich freue mich auf meinen nächsten Besuch auf der tschechischen Seite.

Die Orte unserer heutigen Besichtigungsrunde findet ihr auf dieser Karte.

Hier noch ein Linktipp zum diesjährigen, wiederum virtuellen, Welterbetag mit vielen interessanten Filmbeiträgen.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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