Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – N – Industriedenkmal Rjukan-Notodden

Wasserkraft und Erfindungen

Das Gebiet Rjukan-Notodden liegt in einer Landschaft, deren natürliche Gegebenheiten die Nutzung von Wasserkraft zur Stromerzeugung im großen Stil ermöglichen. Der Komplex Rjukan-Notodden wurde 1905 von der Norsk-Hydro Company gegründet, um dank einer neu entwickelten Technologie durch Bindung von Luftstickstoff Kunstdünger für den wachsenden Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten herzustellen. Als das Wasserkraftwerk Rjukan 1911 in Betrieb ging, war es das größte der Welt. Das technologische Ensemble, das seit 2015 zu den UNESCO-Welterben zählt, besteht aus Dämmen, Tunneln und Rohren, Kraftwerken und Stromleitungen, Fabrikgeländen und Ausrüstungen, Eisenbahnlinien und Fährverbindungen sowie Arbeiterstädten. Der Welterbekomplex stellt ein bedeutendes Beispiel für die Globalisierung der Industrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts dar.

Rjukan

Die Region Nordurland ist geprägt durch ihre Wasserfälle. Auf meiner Fahrt von Bergen kommend habe ich schon einige Industriestandorte gesehen, die die Wasserkraft nutzen, z.B. den Industrieort Odda. Der Låtefossen-Wasserfall ist dagegen nur ein Blickfang für die Besucher. Später fahre ich über eine Ski-Hochebene am Ausläufer der Hardangervidda. Die Industrie im Zusammenhang mit der Wasserkraft und der Wintertourismus haben die Orte größer als üblich werden lassen. Ich übernachte an einem kleinen Wasserfall, der mir eine Bademöglichkeit bietet.

Am Morgen liegen lange Fahrzeiten vor mir, doch als ich mit der Sonne aufstehe und die fantastische Hochlandschaft sehe, freue ich mich auf den Tag und die Strecke. Eine Schafherde im Tunnel, Spiegelseen, Wollgras, Geröllflächen, ich muss schon wieder dauernd anhalten, um Fotos zu machen.

Später fahre ich durch ein ausgedehntes Wald- und Wandergebiet, danach durch das große Wintersportzentrum Rauland. Skihütten und Apartments kleben kilometerweit an den Bergen. Am Ortsausgang steht der erste kleine Hinweis auf das Welterbegebiet. Hier beginnen auch die Stauseen und die reißenden Flüsse.

Nach weiteren Serpentinen auf und ab erreiche ich schließlich Rjukan und begebe mich auf die Suche. Ich kenne die Bilder und sehe schließlich die riesigen Rohrleitungen rechts am Berg.

Welterbezeichen oder Hinweise – Fehlanzeige. Dafür ein Wegweiser zum Baudenkmal Vemork. Ich fahre durch eine winzige Schlippe ins Tal und da ist dann auch der Parkplatz gegenüber der Schlucht. Das Museum hat ab Mittag geöffnet, also bleibt ausreichend Zeit für einen Kaffee und einen Snack.

So gestärkt begebe ich mich auf den 700 m langen Aufstieg. Die Schlucht unterhalb der Brücke ist schon gewaltig, das muss ein riesiger Wasserfall gewesen sein. Hier sind Reste des Wasserkraftwerks, das zum Bau betrieben wurde, zu sehen. Dieses Welterbe zu erreichen, wird bis auf die letzten Meter abenteuerlich gehalten. 

Aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung war das Wasserkraftwerk natürlich im Krieg Angriffsziel, viele Tafeln und ein kleines Funkerhäuschen erinnern an die Widerstandskämpfer. Dem Kampf um dieses Kraftwerk ist ein Teil der Ausstellung im Museum gewidmet.

Dann stehe ich vor dem wunderschönen Industriegebäude, es sieht von Nahem eher aus wie eine Burg. Ich umrunde das Gebäude und schaue mir die gigantischen Rohrleitungen an.

Vor bzw. am Museum wird gebaut, es stehen die in Norwegen allgegenwärtigen Kräne, Baumaschinen und Halden von Baumaterial davor.

Das Museum , das sich im Kraftwerksgebäude befindet, beleuchtet die Geschichte und die Technik. Als ich in die Turbinenhalle komme, bleibt mir fast der Atem stehen – nicht nur wegen der Größe der Anlagen, sondern auch der Gestaltung. Die ganze Halle ist mit Wand- und Bodenfliesen und Schmuckdetails ausgestattet, die dem äußeren Erscheinungsbild des schönen Wasserkraftwerksgebäudes entsprechen. (Video). Im Kraftwerk Vemork vereinen sich ingenieurtechnisches Know how und architektonische Schönheit

Der letzte Teil des Museums widmet sich der Industrie, die neben der Elektrizität diese Gegend reich gemacht hat und den Menschen, die die Technologien dazu entwickelt und hier gearbeitet und gelebt haben.

Auf dem Weg ins Ortszentrum sehe ich die Wohnhäuser der vielen Arbeiter, die hier beschäftigt waren bzw. noch sind – für Norwegen recht untypische Mehrfamilienhäuser. Der Firmenkomplex im Tal nennt sich heute Hydroparken und ich fahre einmal durch, um die zum Teil alten schönen Fabrikgebäude zu fotografieren. Wie ich es gelesen hatte, gehört auch hier einiges zum Welterbekomplex. So finde ich die Anlage für schweres Wasser und das zweite Kraftwerk. Als ich direkt davor stehe, sehe ich auch die kleinen Hinweistafeln. So ist es auch mit anderen Gebäuden. Ich habe im Museum zwar einen Lageplan der Gebäude bekommen, aber hier im Industriegebiet stehen nur die neuen Nutzer auf der Eingangstafel, Parkplätze und Hinweise für Besucher zu finden bleibt der eigenen Findigkeit überlassen.

Auch entlang der schmalen Ortsstraße kann ich beim vorbeifahren erahnen, dass ich etwas verpasst habe. Schade. Ich könnte mir vorstellen, dass mit besserer Beschilderung und einem Parkplatz hier viel mehr zu entdecken gewesen wäre.

Notodden

Im zweiten Welterbeort dasselbe Bild – ein kurzer Hinweis am Ortseingangsschild, dann sehe ich rechts neben der Straße hinter der Eisenbahn und einem großen Zaun die alten Fabrikgebäude und versuche, auf den nächsten Parkplatz zu kommen. Dort ist dann neben einem alten Bahnhofsgebäude eine Welterbetafel, an die Fabriken ist auch von hier kein rankommen und ich mache nur ein Foto von Ferne.

Resümee

Das Wasserkraftwerk Vermork in Rjukan hat mich bei meinem Besuch begeistert. Neben der imposanten alten Technik habe ich ein beeindruckendes Industriegebäude gesehen. Die Rohrleitungen zum Wasserfall und die Tiefe der Schlucht lassen die Kraft erahnen, die einst die großen Turbinen getrieben hat. Das Museum ist interessant aufgebaut und zeigt neben der beeindruckenden Turbinenanlage viele Facetten rund um das Wasserkraftwerk. So habe ich heute nicht nur Einblick in Ingenieurtechnik und Industriearchitektur, sondern auch die Geschichte im zweiten Weltkrieg gewonnen. Ich habe Parallelen zu den Bergbau-Welterbestandorten bemerkt – hier hat die Industrie, beziehungsweise in diesem Fall die Ingenieurtechnik, die gesamte Region beeinflusst und reich gemacht.

Rjukan-Notodden ist Norwegens verstecktestes Welterbe. Auch wenn ich nicht alles gefunden und gesehen habe, was dieser Welterbekomplex zu bieten gehabt hätte, hat sich mein Besuch unbedingt gelohnt und ich bin froh, den Umweg gefahren zu sein. Gerne hätte ich noch mehr erkundet, vielleicht wird an der Präsentation dieses interessanten Welterbes ja noch etwas gefeilt. (mehr Informationen gibt es hier)

Bis Oslo sind es trotz der schmalen Straßen und der vielen Kurven nur 120 km und auf der Autobahn darf man dann sogar 100 fahren. Leider bremst uns der Feierabendstau aus.

Zugabe – Oslo am Abend

Ich fahre zunächst hoch auf den Holmenkollen zur berühmten Sprungschanze und entdecke daneben eine Stabkirche. Von hier oben habe ich einen Ausblick auf die Inseln der Stadt.

Ich parke fußläufig zum Zentrum neben dem Vigeland-Skulpturenpark und mache noch einen Abendspaziergang in die Altstadt. Das Schloss liegt in der Abendsonne.

Ich gehe durch die Stadt zum Hafen, im Hintergrund die Festung. Ein Must See ist natürlich das Rathaus. Oslo ist eine beeindruckende Stadt, wenngleich das Konzept sehr gewöhnungsbedürftig ist. Vom Schloss aus stehen die alten Paläste entlang einer Allee nebeneiner, alle anderen Nachbargebäude sind hypermodern und futuristisch. Dem alten Theater steht ein neues gläsernes Konzerthaus gegenüber.

Der Sommerabend zaubert eine fantastische Stimmung und die Sonne spiegelt sich in den Glasfronten. Es sind relativ wenige Menschen unterwegs, die wie ich die Stimmung genießen.

Bei Einbruch der Dunkelheit bin ich am Auto zurück und übernachte neben dem Park.

Meinen Morgenkaffe trinke ich zwischen den Skulpturen im Park. Mein Navi sagt mir – diese Route führt über eine Landesgrenze – und ich verabschiede mich jetzt schon mit Fernweh von Norwegen, aber mit Vorfreude auf zu Hause.

Tipp: Die gesamte Nord-Tour ist hier beschrieben, die besuchten Ziele in diesem Blog. Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die aktuellen Komplettierungen habe ich hier beschrieben. Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet und kann sie empfehlen.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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