Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – AL, MK – Natur- und Kulturerbe der Region Ohrid

Ich fahre am frühen Morgen aus dem Großstadtstau von Podgorica mit seinen waghalsigen Autofahrern über die Grenze von Montenegro nach Albanien. Vorbei an den Ferienorten entlang des Jezero-Sees, wo ich zu meiner Verblüffung in den südlich chaotischen und etwas heruntergekommenen albanischen Orten wahrhaftige Schlösser entdecke (auf der Weiterfahrt treffe ich immer wieder auf derartige aus der Umgebung fallende Oasen), erwartet mich bereits in der ersten Stadt ein Verkehrschaos, das ich mir so schlimm nicht hatte träumen lassen und das mich längs und quer durch Albanien begleiten wird. Die Regeln für den Verkehr hier sind hart und es stehen überall Blitzer und auch Polizeikontrollen. Eingehalten werden sie trotzdem nicht und die Überholmanöver sind waghalsig bis lebensgefährlich.  Die Städte kosten Nerven, hoch beladene Fahrräder, Mopeds und Dreiräder kommen mir auf meiner Spur entgegen, Pferdewagen, Parker in der zweiten und dritten Reihe, Bodenwellen und vollgestopfte Kreisverkehre hindern am Fortkommen. Ich hatte es ja schon auch beim Blick auf die Karte befürchtet, für 260 km hatte Google Maps 6 Stunden Fahrzeit berechnet, und das war noch sehr geschönt. Noch schlimmer wird es dann trotz der Stadtautobahn in und um Tirana und ich bin durchgeschwitzt und froh, endlich Richtung Norden nach Ohrid abbiegen zu können.

Die nordmazedonische Region des Ohridsees wurde 1979 als Natur- sowie ein Jahr später auch als Kulturerbe auf der UNESCO-Welterbeliste eingetragen und 2019 um den in Albanien gelegenen Teil erweitert. Der Ohridsee ist als der zweitgrößte See der Balkanhalbinsel und einer der ältesten der Erde ein Naturphänomen der Superlative. Als tiefer und uralter See tektonischen Ursprungs existiert er seit etwa zwei bis drei Millionen Jahren ununterbrochen und sein nährstoffarmes Wasser beherbergt über 200 seltene und endemische Pflanzen- und Tierarten, die Ufer eine reiche Vogelwelt. In den flachen Gewässern in der Nähe des Seeufers gibt es drei Stätten mit prähistorischen Pfahlbauten und auf der Lin-Halbinsel befinden sich die Überreste einer frühchristlichen Kirche aus der Mitte des 6. Jahrhunderts. Die Stadt Ohrid ist eine der ältesten menschlichen Siedlungen Europas und eines der am besten erhaltenen Gesamtensembles von archäologischen Zeugen aus der Bronzezeit bis zum Mittelalter. Ohrid verfügt über frühchristliche Basiliken aus dem 4. bis 7. Jahrhundert, die für ihre Mosaike berühmt sind. Das älteste slawische Kloster St. Pantelejmon besitzt mehr als 800 Ikonen im byzantinischen Stil aus dem 11. bis Ende des 14. Jahrhundert. Der traditionelle lokale Einfluss von Ohrid lässt sich an der gut erhaltenen spätosmanischen städtischen Wohnarchitektur aus dem 18. und 19. Jahrhundert erkennen, bei der der begrenzte Raum für Bauten zur Bildung eines sehr engen Straßennetzes führte. Das Zusammenspiel der besonderen Natur mit der Qualität und Vielfalt der kulturellen, materiellen und spirituellen historischen Zeugnisse macht die Ohrid-Region einzigartig. Einführende Videos gibt es hier.

Die Fahrt entlang zweier Flüsse ist landschaftlich schön, aber sehr anstrengend, doch dann endlich werde ich belohnt. In etwa 30 Serpentinen, die zur Abwechslung echt Spaß machen, geht es den Berg vor dem Ohrid-See hinauf. Von oben eröffnet sich ein toller Blick über den riesigen See und die Lin-Halbinsel bis hinüber zum mazedonischen Ufer.

Die Fahrt hat sich gelohnt, ich steuere einen Picknickplatz am Ufer unter Bäumen an, nehme ein erfrischendes Bad und teile meine Mahlzeit mit den Straßenhunden und -Katzen, für die es hier weit nach der Saison nicht mehr üppig zugeht.

Der Tag ist noch jung und der Himmel zieht sich gerade zu. Deshalb beschließe ich, nach Ohrid zu fahren. Oben auf der Kuppe des Berges gabelt sich die Straße und es geht steil bergab zur Grenze. Hier zahlt es sich aus, dass ich zur Vorbereitung der Tour die Seite des ADAC gelesen hatte und die (ehemals grüne) Auslands-Versicherungsbescheinigung mitführe. Nicht jeder hat sie und die Abfertigung dauert dementsprechend etwas länger. Ich parke etwas außerhalb des Zentrums und unterhalte mich mit dem Tankwart, der mir nicht nur WLAN, sondern auch einige Hinweise für Sehenswürdigkeiten im Ort und am See gibt.

Dann laufe ich ins Stadtzentrum. Vorbei am Sitz der Verwaltung und anderen repräsentativen Gebäuden komme ich zum Hafen, der umgeben ist von blühenden Bäumen und einer Reihe interessanter Skulpturen.

Gleich anschließend beginnt das historische Zentrum. Die Wege zu den Sehenswürdigkeiten sind gut ausgeschildert und an jedem der alten Gebäude befindet sich ein QR-Code für ausführliche Informationen. Zunächst gehe ich zur kleinen Kapelle Saint Clement. Leider ist sie geschlossen, doch ich kann durchs Fenster schauen und die schönen Wandbilder sehen. Im Hof hängt ein Mosaik-Stadtplan.

Je weiter ich ins alte Zentrum komme, umso begeisterter bin ich. Die Gassen sind schmal und führen teils unter den Häusern hindurch. Hier ist mein kleines Video.

Mein nächstes Ziel ist die Alte Sophienkirche, sie ist wirklich beeindruckend. Leider sind im Inneren keine Fotos erlaubt.

Ich streife weiter durch die Straßen der Stadt mit ihren nach oben vorgebauten Handelshäusern, vorbei an einer weiteren alten Kirche, lokalen Weinhandlungen und vor allen Dingen Juwelieren, die die berühmten Perlen verkaufen. Was es damit auf sich hat, wird in diesem Video erklärt. An jedem der Häuser sind Schilder angebracht, die über seine Geschichte und ursprüngliche Bestimmung Auskunft geben. Die ganze Altstadt ist von Laternen in Form der Handelshäuser beleuchtet, das muss abends wirklich toll aussehen.

In Ohrid kann man stundenlang bummeln, einkehren oder shoppen und noch Vieles entdecken. Auch wenn jetzt schwarze Wolken aufziehen, bin ich froh, um den See gefahren zu sein. Auf meinem Weg zurück zum Auto, den ich mit schnellen Schritten unter den ersten Regentropfen beginne, höre ich Mönchsgesang aus der Kirche oben am Berg und werde davon angezogen. Also statte ihr noch einen kleinen Besuch ab. Die Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist innen komplett restauriert. Hier kann ich einmal die schöne Ikonenmalerei fotografieren.

Als ich aus der Kirche trete, singen die Mönche und vom Turm der benachbarten Moschee ruft der Muezzin.

Der Tankwart hatte mir einen Aussichtspunkt auf den Ohridsee und den benachbarten See empfohlen, was sich als Geheimtipp erweist.

Ich fahre zunächst weiter um den See herum und im Galicica-Nationalpark steil den Berg hinauf.

Hier oben erlebe ich nicht nur einen tollen Ausblick, sondern auch den Sonnenuntergang über dem See. (Video)

Es ist dunkel geworden und ich suche mir im nächsten der Badeorte einen Übernachtungsplatz.

Am nächsten Morgen werde ich mit einem Kaffee am erwachenden See belohnt.

Durch meinen Besuch in Ohrid habe ich jetzt auch Lust bekommen, den zweiten historischen Ort, Lin, auf seiner Halbinsel, anzuschauen. Hier ist förmlich die Zeit stehen geblieben. Ich wandere den Berg hinauf zur alten Kirche, deren Überreste ich leider zu so früher Stunde nicht besichtigen kann.

Ich bin hier schon fast an der Grenze nach Griechenland, doch meine Route führt mich in die andere Richtung zu den nächsten Welterbestätten Albaniens. Bis Berat sind es 150 km mit dafür veranschlagten 5 Stunden. Nachdem die Ziegen mein Auto passiert haben, fahre ich wieder in die Berge, hinter Schulbus und Fahrschule. Auch die wird von den anderen Fahrern massiv attackiert. Das einzige, so scheint es mir, wovor die Autofahrer hier Respekt haben, sind die schrecklichen Holper in den Ortsdurchfahrten. Hier kann man sich als Fremder glücklicherweise darauf verlassen, dass sie dort abbremsen.

Wer sich entschlossen hat, durch Albanien zu fahren, der sollte unbedingt den Ohrid-See einplanen und ausreichend Zeit hier verbringen. Die letzten Kilometer der Anfahrt sind phänomenal, die Natur um den See ein ganz besonderes Erlebnis und ein Besuch im Galicica-Nationalpark mit einer Wanderung zum Aussichtspunkt auf dem Gipfel noch das Tüpfelchen auf dem I. In der Altstadt von Ohrid kann man sich in historischen Gebäuden, engen Gassen und schönen Dingen verlieren und vielleicht eine der berühmter Perlen als exklusives Souvenir erstehen. Rings um den See liegen Badeorte, die sich über ihre Besucher freuen. Als Lohn für die beschwerliche Anreise bekommt man rund um den Ohrid-See eine gelungene Mischung aus Geschichte, Kultur, Natur und Entspannung.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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