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Höhlentherme und Lichtspielerei – unterwegs zwischen Eger und Miskolc

Mein Trip durch den Süden der Slowakei und den Norden Ungarns setzt sich fort … ich habe heut eine abenteuerliche Reise von Košice bis Aggteleki hinter mir.

Mit spontaner Mitfahrgelegenheit und zwei Bahnen erreiche ich um 19 Uhr Eger – gerade passend für den Abendtarif (umgerechnet ca. 3€) im Türkischen Bad, das ein separat betretbarer Teil der Therme von Eger ist. Ich dümpele in der Gesellschaft von nur sechs anderen Badegästen noch zwei Stunden im warmen Heilwasser herum, dann kann ich zu meinen Couchsurfing Hosts. Die beiden wohnen in einer Straße, die nach dem Astronomen Maximilian Hell benannt ist (den soll ich morgen noch genauer kennenlernen) und aus ihren Wasserhähnen kommt zum Teil das Heilwasser, dem Eger seine Therme verdankt.

Ich lerne viel über Ungarn, ein Land, das unfassbar viel Territorium verloren hat nach dem zweiten Weltkrieg – wenn man meinem Host glauben kann, mehr als alle anderen involvierten Länder – und es schmerzt sie noch immer sehr. Der Bereich der Slowakei, in dem ich gestern und heute noch war, zum Beispiel, gehört laut der Grenzziehung jetzt dorthin, im Geiste, bei manchen sogar in der Sprache leben dort aber weiterhin Ungarn.

Ich erfahre auch viel über Eger – über die vielen Weinkeller im Tal der Schönen Frauen eine halbe Stunde zu Fuß entfernt; das Minarett, als letztes Überbleibsel der Türkischen Invasion Ungarns noch übrig geblieben und heute ein Aussichtsturm; aber auch über die Schlacht von Eger und die Burg, die darin eine entscheidende Rolle gespielt hat – in dieser Schlacht besiegten die Ungarn das tausendfach überlegene Heer der Türken, so besagt es die Geschichte.

Als besonders interessant sticht für mich als Enkelin eines Astronomielehrers das Camera Obscura Museum im Lyzeum hervor. Viel Werbung für das kleine Astronomiemuseum ist nicht zu finden (weder in Reiseführern noch vor Ort), aber in diesem Teil der Universität befinden sich ungeahnte Schätze.

Das Lyzeum befindet sich direkt gegenüber der Kathedrale, die leider gerade renoviert wird. Eine Studentenkarte für das Camera Obscura Museum kostet 2000 Forint, damit darf man in den dritten Stock des barocken Gebäudes gehen – wer mag kann auf dem Weg noch eine Extrakarte erwerben und sich die Bibliothek der Erzdiözese ansehen. Mich zieht es weiter hinauf, an offensichtlich für Kinder aufgebauten wissenschaftlichen Experimenten vorbei nach ganz oben in den Turm. Kurz trete ich trotz des Regens auf die Aussichtsplattform hinaus und werfe ein paar orientierende Blicke – Eger ist ein recht überschaubares Örtchen und besitzt obendrein recht gut erkennbare Landmarken.

Dann geht es ganz oben im Turm an diesem verregneten Tag zu einer persönlichen Vorführung der sogenannten Camera Obscura. In das Dach ist in einem dünnen Schacht ein drehbarer, um 45° angewinkelter Spiegel angebracht, der das Licht von draußen, ähnlich wie bei einem Um-die-Ecken-Gucker, den manche vielleicht noch aus der Kindheit kennen, einfängt und dann durch eine Sammellinse (konvex) schickt. Der Lichtstrahl trifft dann auf einer weißen runden Tischplatte auf und dunkelt man den Raum komplett ab, erhält man eine Abbildung der Außenwelt in Echtzeit und mit einiger Vergrößerung auf der Tischplatte. Die Vergrößerung hängt vom Stand der Sonne ab – zur perfekten Stunde kann man von hier oben sogar die Nummernschilder die Autos erkennen! Der Spiegel ist drehbar und sogar den Winkel kann man mit von der Decke hängenden Stäben ein wenig ändern, sodass man rundum die Umgebung beobachten kann im dunklen Kämmerlein.

Natürlich wurde die Erfindung zur Beobachtung herannahender Feinde genutzt, aber auch – und vielleicht sogar vor allem – als kleine Spielerei für den gelangweilten Adel: Nimmt man ein weißes Blatt Papier und bewegt es von der Tischplatte aus nach oben, kann man Autos und Busse (zu früheren Zeiten wohl eher Pferde und Kutschen) fliegen lassen, Ufos entdecken oder den Verkehr raupenartig über aufgestellte Papierhürden fließen lassen.

Die Camera Obscura in Eger ist eine der ältesten noch funktionstüchtigen Installationen ihrer Art in ganz Europa. 1776 entwickelte der Wiener Astronom Maximilian Hell (ungarisch Hell Miksa), von dem am Anfang die Rede war, dieses wundervolle Lichtspiel für den Fürst Károly Eszterházy und ließ auch einige andere Spielereien anliefern, die eine Etage weiter unten ausgestellt sind. Neben Instrumenten zur genauen Bestimmung der Lage von Sonne, Mond und Sternen und einigen Teleskopen aus unterschiedlichen Zeiten fällt in diesem Raum noch eine Installation aus der Zeit Maximilian Hells auf.

An der Südseite des Raumes ist ein kleiner schwarzer Kasten mit einem Schlitz angebracht. Durch ihn scheint an wolkenlosen Tagen die Sonne und ein Lichtfleck wandert je nach Jahreszeit an unterschiedlichen Stellen des Raumes entweder über den Boden (wenn die Sonne im Sommer hoch steht) oder sogar in Armhöhe an der Wand entlang (die tiefstehende Wintersonne) – auf dem Boden ist nun eine Linie, die genau von Nord nach Süd verläuft – am Nordende ist sie mit Steinen aus der Region und Marmor noch ein Stück an der Wand hochgezogen und verziert. Der Moment, in dem der Sonnenfleck die Meridianlinie kreuzt, ist die genaue astronomische Mittagszeit in Eger.

Es gibt noch einen weiteren spannenden Raum – während die Experimente im unteren Raum meine Aufmerksamkeit nicht großartig erregt hatten, ist hier einiges dabei. Eine Studentin steht parat, um alles zu erklären – das Schiff sinkt im “Bermuda-Dreieck”-Zylinder, weil sich die Dichte des Wassers durch die aufsteigenden Blasen verringert; die Blitze in der Kugel heften sich an meine Finger, weil sie eine Erdung suchen, es gibt verschiedene solarbetriebene Modelle, eine Luftkanone, einen Heißluftballon aus Föhn und Mülltüte … Physikspielzeug.

Der Regen löst sich nicht, da lohnt sich ein weiterer Stadtbummel und vor allem ein Spaziergang bis ins Tal der Schönen Frauen nicht, also mache ich mich durch den Park und entlang des Kanals wieder auf den Weg zum Bahnhof, wo ich schnell und unkompliziert mein Ticket bis Miskolc kaufe, wenige Minuten später sitze ich wieder in einer Bummelbahn und dann im größeren Zug, der von Budapest kommt und mich bis Miskolc bringt.

Nach Miskolc ziehen mich verschiedene Dinge – an einem sonnigeren Tag möchte ich für die Burg und die Häuser nochmal wiederkommen, jetzt gibt es hier erstmal ein ganz bestimmtes Haus, dass ich finden möchte und das ist das vom Brieffreund meiner Mama von vor 50 Jahren. Als ich am Telefon von meinen Reiseplänen erzählte, kamen wie aus der Pistole geschossen Name und genaue Adresse, da werde ich es wohl schaffen, vor Ort ein paar Fotos zu machen.

Leider steht das alte Haus nicht mehr, aber wo ich jetzt schon mal hier bin, kann ich mich auch noch eine Runde in der Höhlentherme von meinen Wandertagen im Regen erholen. Der Bus fährt mich hin, auf dem Weg kann ich eine der Fabrikruinen sehen, von denen mein Host gestern erzählt hatte. Miskolc war zu Sowjetzeiten eine der größten Industriestädte, jetzt nicht mehr, was dazu führt, dass eine Menge alter großer Hallen und Schornsteine in der wunderschönen Landschaft herumstehen und die Stadt nach Nutzungsmöglichkeiten sucht.

Dann komme ich am Höhlenbad an – 2000 Forint zahlt man als Student, noch 1000 mehr, wenn man auch in die Sauna möchte. Im Sommer scheint der Außenbereicht wirklich schön zu sein, jetzt freue ich mich über jede Minute drinnen. Es gibt verschiedene Becken, doch das einzigartigste sind natürlich diejenigen, die aus in einen Felsen hineingeschnittenen Tunneln zu bestehen scheinen – mit Wasserfällen, Lichtspiel-Höhlen, Brücken, …

Ich nehme 19 Uhr den letzten Zug nach Budapest und bemerke zum wiederholten Male, wie wunderschön viele der Bahnhöfe gestaltet sind, sogar die Mülleimer passen zum Raumkonzept.

Dann freue ich mich über eine Steckdose im Zug (das hatte ich bis jetzt noch gar nicht aber das ist ja auch in Deutschland rar) und falle schließlich in mein Bett in Budapest – morgen wird ein Tag zum Wäschewaschen und Fahrscheine einsortieren, danach geht es weiter.

Was bisher geschah:

Es folgen:

  • “Vielleicht ist’s nur die Farbe des Himmels” … Regen in Bratislava
  • Kultur und Größenwahn in Wien
  • Zauberlicht am spiegelglatten Wasser des Balaton
  • Corona fegt die Plätze leer – ein Ganz neuer Blick auf Budapests Straßen

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