Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – B – Bedeutende Orte des wallonischen Bergbaus

Auf Spurensuche im alten Kohlerevier


Seit 2012 stehen die vier Steinkohlenbergbaugebiete Grand-Hornu, Bois-du-Luc, Bois du Cazier sowie Blegny im wallonischen Kohlerevier als die am besten erhaltenen Zeugen aus dem 19. und 20. Jahrhundert auf der UNESCO-Welterbeliste. Das wallonische Kohlebecken ist eines der ältesten in Europa und steht als Symbol für die industrielle Revolution. Von den hunderten Kohlebergbaustandorten sind in den vier Welterbestätten zahlreiche technische und industrielle Zeugnisse des übertägigen und untertägigen Kohlebergbaus und der damit verbundenen Industriearchitektur, der Stadtplanung der Bergbaustädte und der Arbeiterwohnungen sowie der mit seiner Geschichte verbundenen sozialen und menschlichen Schicksale, z.B. der Erinnerung an die Katastrophe von Bois du Cazier im Jahr 1956, erhalten geblieben. Die vier wallonischen Bergbaustandorte bilden ein herausragendes und vollständiges Beispiel für die Entwicklung des industriellen Bergbaus und die verschiedenen Phasen der industriellen Revolution.

Eigentlich hatte ich die Feuersteinminen bei Spiennes besuchen wollen. Meine Suche im absoluten Hinterland mit wechselnder “Geheimzeichenbeschilderung” war am Ende nur von einem Teilerfolg gekrönt.

Ich habe trotz geschlossenen Infocenters das streng bewachte und sicher eingezäunte Minengelände gefunden, doch Unter-Tage-Besichtigungen sind nur an ausgewählten Tagen und nach Voranmeldung möglich. Hier scheinen noch Forschungsarbeiten und weitere Ausgrabungen zu erfolgen.

Also vertage ich den Jungsteinzeit- und wende mich dem neueren, dem wallonischen Steinkohlebergbau zu.

Industrie- und Siedlungskomplex Le Grand-Hornu

Meine erste Station ist Grand-Hornu, die Symbolfabrik und -stadt des Steinkohlebergbaus. Gebaut zwischen 1810 und 1830 vom Industriellen Henri De Gorge, entworfen vom Architekten Bruno Renard wurden in dem Bergbaukomplex nicht nur die neuesten Produktions- und Transporttechnologien eingesetzt, sondern ein auf Gemeinschaftsidealen gegründetes Wohnprojekt realisiert.

Ich parke auf dem großen Platz vor dem Oval, das das Gelände umschließt. Am Eingang zum Kunstmuseum bekomme ich ein ausführliches Informationsmaterial über das ehemalige Fabrikprojekt, die Besichtigung des Geländes ist kostenlos.

Und das ist schon beeindruckend, eine Kohlezeche vom Reißbrett eines Architekten. Ich mache meine Runde und lasse die Gebäude und ihre ungewöhnliche Anordnung auf mich wirken. Im Gelände gibt es außerdem eine Kirchenruine und einige Ausstellungen zu besichtigen.

Auf die Förderschächte weisen nur noch Kreise auf dem Boden hin. In den Produktions- und Verwaltungsgebäuden befinden sich Ateliers, Ausstellungen und Büros. Rings um das Oval stehen die Arbeiterwohnhäuser, sie sind auch jetzt noch als solche genutzt.

Eine der fortschrittlichsten Fabriken ihrer Zeit, lese ich nach, und dazu eine der schönsten, das kann ich jetzt bestätigen.

Die Bergarbeiterwohnungen in Bois-du-Luc

Die Bergarbeitersiedlung von Bois-du-Luc liegt in unmittelbarer Nähe des Canal du Centre mit seinen Schiffshebewerken, dem zweiten Welterbe, das ich in dieser Region besuche. Auf dem Kanal wurde die geförderte Kohle abtransportiert.

In der Siedlung wird gerade umfangreich renoviert, damit die Häuser bewohnt werden können.

Das Kohlebergwerk Le Bois du Cazier

Ich habe in der Nähe einer idyllisch gelegenen alten Abtei übernachtet, um genügend Zeit für die Besichtigung dieses Museums und des alten Werksgeländes zu haben.

Ich komme zur Öffnungszeit am Museum an und bin zunächst der einzige Besucher, später werden es einige mehr, aber es ist eben Nebensaison und Schulzeit.

Das Museum vermittelt in historischer Umgebung geschichtliche und technische Informationen rund um die Kohle. Vom Abbau über die Entwicklung, Funktion und Nutzung der Dampfmaschine bis hin zur chemischen Industrie werden hier verschiedene Facetten der industriellen Revolution beleuchtet.

Alles ist in den alten Produktionsanlagen untergebracht, was ein umfassendes Zeitkolorit bewirkt.

Hier gibt es Stoff für viele Stunden Information und Inspiration. Es ist ungeheuer spannend, durch die alten Gebäude und zwischen der alten Technik zu laufen, die Erläuterungen zu lesen und alles in Ruhe anzuschauen.

Sehr authentisch wird hier am Beispiel des großen Grubenunglücks von 1956 die Gefahr des Bergbaus verdeutlicht.

In der unteren Etage kann man noch durch einen nachgestellten Schachtgang mit entsprechendem Lärm gehen.

Resümee

Mein Streifzug durch das wallonische Kohlerevier erinnert mich an die Minen und Bergbaustädte, die ich auf meiner go-north-Tour besucht habe. Auch dort habe ich Beispielhaftes und Ungewöhliches gesehen. Hier geht es um Steinkohle – in den ausgewählten Standorten jeweils unter anderem, besonderen Aspekt. In Le Bois de Cazier wird Industriegeschichte lebendig gemacht und es gibt Technik zum Anfassen. Daneben eindringlich um die, die die Kohle gefördert haben. Dieses Museum zu besuchen ist meine ganz klare Empfehlung. Eine andere Seite beleuchten die Bergbaustädte, voran Le Grand-Hornu – ausgefallene Architektur für eine Kohlegrubenstadt und eine gute Ergänzung zum Museumsbesuch. Meine Runde wird ergänzt durch die Technik, die den Abtransport der Kohle ermöglichte – die Schiffshebewerke am Canal du Centre.

Tipp: Die gesamte Benelux-Tour ist hier beschrieben, die besuchten Ziele in diesem Blog. Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die aktuellen Komplettierungen habe ich hier beschrieben. Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet und kann sie empfehlen.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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