Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – FI – Archipel der Ringelrobben am Saimaa See (Tentativliste)

Ich bin jetzt viertausend Kilometer auf meiner zweiten Nordlandreise unterwegs und schon fühlbar im Norden angekommen. Die Tage werden merklich länger, die Nächte bleiben hell.

Die Landschaft wird immer schöner, entlang der Straßen blühen Lupinen und Blumen in allen Farben.

Ich bin unterwegs nach Oravi, dem Start der Bootstouren zum Linnansaari- Nationalpark.

Es ist später Nachmittag und ich frage am kleinen Hafen gleich die ersten Angler, ob und wie man die Robben sehen kann.

Man schickt mich in das Wassersport-Center. Dort angekommen wird gleich gefragt, wann ich denn starten möchte – heute noch? Ja, sage ich strahlend.

Okay, wir treffen uns um 20:00 Uhr. Klar, ich bin schon hoch im Norden.

Das Archipel der Ringelrobben im Saimaa-See steht seit 2021 auf der UNESCO-Tentativliste. Der Saimaa-See ist der größte See Finnlands und einer der vier größten Europas, 180 km lang und 140 km breit. Er hat etwa 14 Tausend Inseln sowie eine zerklüftete Küstenlinie von fast 15 Tausend Kilometern Länge. Er entstand infolge der Landhebung, die nach dem Abschmelzen der Eisdecke der letzten Vergletscherung vor etwa 11.000 Jahren begann. Dadurch wurde der Saimaa-See vor über 9.500 Jahren von der Ostsee isoliert. Sein sauberes Süßwasser ist normalerweise von Dezember bis April eisbedeckt. Das offene Wasser des Sees, geschützte Buchten, kleine Felsen- und bewaldete Inseln bieten eine abwechslungsreiche Lebens- und Brutumgebung für verschiedene Fisch-, Insekten-, Vogel- und Säugetierarten.

Vor allem liegt hier das Brutgebiet für die endemische Saimaa-Ringelrobbe (Phoca hispida saimensis). Der Saimaa-See ist ihr weltweit einziger Lebensraum.

(Bildquelle der Robbenfotos: Visit Saimaa, https://visitsaimaa.kuvat.fi/kuvat/+Saimaa+Ringed+Seal/)

Diese spezielle und gefährdete Robbenart hat sich durch die Anforderungen der geologischen Prozesse der Vergangenheit entwickelt und befindet sich mitten in ihrem Evolutionsprozess. Sie ist ein Beispiel für die Anpassung einer Tierart an einen sich verändernden Lebensraum. Die Vorfahren der Saimaa-Robben lebten im Meer und haben sich im Laufe der Jahrtausende an das Leben in einem relativ kalten, isolierten und seichten Süßwassersee angepasst. Dadurch hat die Saimaa-Ringelrobbe spezielle und einzigartige Verhaltensmuster entwickelt, die sie von ihren Verwandten unterscheiden. Darüber hinaus ist sie die einzige Robbe, die so nahe an menschlichen Siedlungen lebt und brütet. Die vom Aussterben bedrohte Saimaa-Ringelrobben-Population ist seit 1980 wieder auf etwa 400 Tiere angewachsen und man tut hier alles, um sie nachhaltig zu schützen und ihre Brutmöglichkeiten zu erhalten.

Jetzt heißt es, schnell das Objektiv zu wechseln, alle Akkus noch einmal zu laden und warme Sachen rauszusuchen. Im Nachgang betrachtet hätte ich mich noch wärmer anziehen sollen, denn es sind letztendlich am Abend 13°C. Zu allem Überfluss beginnt es zu regnen, aber darüber bin ich nicht besonders beunruhigt, denn die Regenhuschen am heutigen Tag haben immer nur 10-15 Minuten gedauert.

Und letztendlich beschert uns der Regen einen atemberaubenden Regenbogen.

Die Gruppe im Boot ist aufgeregt. Unser Bootsführer erklärt uns, dass der Frühling die beste Zeit sei, die Robben zu sehen, weil sie dann auf den Steinen liegen und sich sonnen. Jetzt im Sommer sieht man sie nicht immer.

Wir umrunden leise die vielen Inseln im See und scannen die Steine am Ufer mit unseren Ferngläsern. Trotz aller Mühe, die sich unser Bootsführer gibt, ist uns das Glück heute nicht hold.

Aber eigentlich finde ich das gar nicht schlimm, denn in den mehr als drei Stunden, bis die Sonne untergeht, fahren wir durch eine so traumhafte Insel- und Seenlandschaft, wie ich sie noch nicht gesehen habe.

Ich erlebe ein Farbenspiel, das es nur hier im Norden zu sehen gibt. Die Bäume leuchten golden und der See rosarot.

Wir sitzen im Boot, lassen uns den Wind um die Nase wehen, essen Zimtschnecken und trinken warmen Kakao und sind einfach nur verzaubert.

Die Natur gibt alles für diesen Nordland-Sonnenuntergang und ich mache gefühlt tausend Fotos von den unterschiedlichsten Gelb-, Rot- und Rosatönen, die der Himmel malt.  Selbst jetzt im Nachhinein spüre ich noch diese ganz besondere Stimmung. Hier ist mein kleines Video.

Von der Nationalparkverwaltung habe ich einige Fotos von den Ringelrobben für den Blog zur Verfügung gestellt bekommen, die noch viel schöner sind, als ich sie mit meiner Unterwegs-Kamera hätte machen können.

So bin ich am Ende, obwohl ich keine Robbe gesehen habe, total begeistert und zufrieden mit dem abendlichen Bootsausflug. Hierher zu fahren war das Beste, was ich an diesem Tag tun konnte. Genau die richtige Zeit und genau die richtige Stimmung. Ich komme zwar recht durchgefroren, aber auch unheimlich glücklich wieder am Dobby an. Für solche Fälle habe ich einen Aufwärm-Whisky dabei, den brauche ich heute wirklich – Prost auf diesen gelungenen Tag.

Resümee

Finnland ist das Land der Seen, doch der Saimaa-See ist etwas ganz Besonderes. Schon die unzähligen Inseln in dem riesigen Gewässer sind eine Rundfahrt wert, doch das Wissen, dass hier eine wunderbare und einzigartige Tierart lebt, die sich an das Leben im See über Tausende von Jahren angepasst hat und hier geschützt ihre Jungen aufziehen kann, gibt das gute Gefühl, dass am Saimaa-See die Welt ein bisschen in Ordnung ist. Und wenn man noch dazu in den Weißen Nächten hier oben im Norden sein darf, dann ist dem auch nichts mehr hinzuzufügen.

Deshalb sind ein Besuch in Oravi und eine Bootstour durch das Reich der Ringelrobben meine absolute Empfehlung für eine Finnland-Rundfahrt.

(Foto-Quelle: SaimaaHoliday Oravi, Kolovesi and Porokyla)

Ich jedenfalls wünsche den Robben und ihrem See, dass sie bald in die Welterbe-Liste aufgenommen werden.

Hier ist noch ein schönes Robben-Video.

Die gesamte Tour go-north 2.0 ist hier beschrieben und hier gibt es den Überblick über die besuchten Welterbe. Hier gehts zu meinem Welterbe-Projekt und hier zum ursprünglichen Umbau des Dacia-Dokker als Minicamper. Dobbys angepasste Einrichtung und Ausstattung hat sich auch im Novemberwetter bewährt. Alle Details dazu findet ihr hier. Meine Übernachtungsplätze habe ich wieder auf park4night gesucht und unter 5Reisende bewertet.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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