Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – NL – Beemster Polder

Leben zwischen Wassergräben

Der Beemster Polder aus dem frühen 17. Jahrhundert ist ein außergewöhnliches Beispiel für die Landgewinnung in den Niederlanden. Als einer der ältesten und auch noch der ursprünglichen Aufteilung entsprechender Polder steht er seit 1999 auf der UNESCO-Welterbeliste. Seine geordnete Landschaft mit Feldern, Straßen, Kanälen, Deichen und Siedlungen ist nach klassischen Renaissance-Planungsprinzipien angelegt und bis heute authentisch bewahrt. Der Beemster Polder entstand durch die Trockenlegung des Beemstersees im Jahr 1612, um neue landwirtschaftliche Flächen und Platz für Landsitze der Investoren zu erschließen. Zu diesem Zeitpunkt war die Windmühlentechnologie auf einem technischen Stand, der dieses erste Großprojekt mit einer Fläche von über siebentausend Hektar ermöglichte. Der Polder wurde in einem rationalen geometrischen Muster von Quadraten und Rechtecken angelegt, Straßen und Kanäle verlaufen von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Die Parzellen sind durch Entwässerungskanäle und Zufahrtsstraßen verbunden. Der Polder selbst folgte dem Umriss des Sees und es wurden vier Dörfer geplant – Midden-, Noord-, West- und Zuidoostbeemster. Hier kann man Kirchen, Wohn- und Wirtschaftsgebäude aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, Industriebauten (Mühlen, Schmieden, Wasseramtsgebäude und Brücken) sowie einige der zwischen 1880 und 1920 errichteten Festungen der Verteidigungslinie von Amsterdam (LINK) sehen. Ein interessantes Video gibt es hier.

Auf meiner Runde zu den Verteidigungsanlagen von Amsterdam komme ich nach Middenbeemster. Vorab habe ich über dieses Welterbe gelesen und finde die beschriebene Aufteilung beim Blick auf mein Google-Maps bestätigt.

Von Ferne sehe ich den Ort zusammengedrängt zwischen den Feldern, leider gibt es keine Foto-Haltebucht an der schmalen Straße. Im Ort gibt es ein Besucherzentrum und ein Museum – ich stehe umsonst davor, beide sind geschlossen.

Ich schaue mir den kleinen Ort in Ruhe an und stelle fest, dass die Spuren des Wassers hier noch viel extremer sind, als ich es bisher entlang des Weges wahrgenommen habe. Im Prinzip steht jedes Haus auf seiner eigenen kleinen Insel.

Das sieht natürlich sehr idyllisch aus, aber man ahnt, was sich für ein Management dahinter verbirgt, damit die Häuser nicht bei jedem Regenguss gleich überschwemmt werden.


Middenbeemster ist ein hübscher kleiner Ort mit einem historischen Zentrum. Sicherlich ist in der Saison auch mehr los, als hier am Ende des Sommers. Zur Ehrenrettung des Ortes muss ich sagen, dass es viele Hinweistafeln über das historische Aussehen und die Nutzung der Bauwerke und Häuschen gibt, aber leider alle nur in holländisch.



Idyllisch ist alles anzusehen, Vieles kann ich mir zusammenreimen, aber für ein Welterbe finde ich die Präsentation doch ein bisschen schwach.


Als ich den Ort einmal umrundet und den in den Welterbe-Fotos gezeigten Polder-Bauernhof oder einen Blick auf den Ort über die Felder gesucht und nicht gefunden habe, komme ich an ein ein Wellness-Center mit einem großen UNESCO-Welterbe-Zeichen davor und habe damit das nächste Puzzleteil in der Amsterdamer Verteidigungslinie entdeckt.

Resümee

Sich das Leben in einem alten Ort im Polder anzusehen, ist eine wertvolle Erfahrung, wenn man sich Holland von der Wassertechnik-Seite anschauen und ein bisschen mehr verstehen möchte. Sicher war ich nicht zur optimalen Reisezeit vor Ort, so dass ich nicht davon ausgehen konnte, dass Museum oder Welterbezentrum für die wenigen Besucher geöffnet sind. Aber einige Informationen und Hinweise nicht nur in Landessprache hätte ich mir doch gewünscht, vielleicht auch einen Parkplatz und Wegweiser auf wichtige Gebäude oder einen der Polder-Bauernhöfe. Trotzdem – meinen Besuch im Beemster Polder möchte ich nicht missen, denn er hat mir noch einmal ganz deutlich gezeigt, wie das Leben in dem vom Wasser abgerungenen Land vor 400 Jahren durch die Findigkeit der Wasserbauingenieure ermöglicht wurde und wie sehr es bis heute auf ihren täglichen Einsatz angewiesen ist. Damit schließt sich der Kreis zu meinen bisher besuchten niederländischen Welterben zum Leben unter dem Meeresspiegel.

Tipp: Die gesamte Benelux-Tour ist hier beschrieben, die besuchten Ziele in diesem Blog. Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die aktuellen Komplettierungen habe ich hier beschrieben. Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet und kann sie empfehlen.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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