Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – B – bedeutende Bauwerke in Brüssel

Auf Welterbespuren in der Europastadt

Brüssels bedeutende Bauwerke – Grote Markt, Palais Stoclet, Jugendstilbauten von Victor Horta, Ladenpassagen und Justizpalast

Brüssel steckt voller Welterbe, beginnend mit dem Großen Markt (Anerkennung 1998) über herausragende Jugendstilbauten (2000) bis zum Palais Stoclet (2009) und hat noch einige Kandidaten, wie die Königlichen Ladenpassagen oder den Justizpalast auf der Tentativliste. Ich bin einen ganzen langen und kilometerreichen Tag um und durch die Stadt unterwegs, um mir alle nacheinander anzuschauen.

Mein Parkplatz ist in einem Außenbezirk und ich laufe zunächst, vorbei an historischen Kasernengebäuden und Botschaften verschiedener Länder zum Palais Stoclet.

Palais Stoclet

Das Stoclet House ist eines der raffiniertesten und luxuriösesten Privathäuser des 20. Jahrhunderts. Der Bankier und Kunstsammler Adolphe Stoclet beauftragte 1905 den führenden Architekten der Wiener Secession, Josef Hoffmann, mit dem Bau, der 1911 fertiggestellt wurde. Haus, Möbel und Dekoration, Gebrauchsgegenstände und Garten sind als Gesamtkunstwerk Zeugnis der künstlerischen Erneuerung in der europäischen Architektur am Übergang vom Jugendstil zur Moderne. Die Gestaltung des Stoclet-Hauses war das Werk einer sehr großen Anzahl von Künstlern der Wiener Kunstvereinigung (Koloman Moser, Gustav Klimt u.v.a.m.). Die meisten seiner ursprünglichen Ausstattungsmerkmale und Einrichtungsgegenstände sind bis heute erhalten. Von seiner Entstehung an hat das Haus viele Architekten im In- und Ausland inspiriert. Es läutete Art Deco und die moderne Bewegung in der Architektur ein. Hier gibt es einige Fotos mehr, als ich machen konnte.

Das Gebiet, durch das ich laufe, liegt außerhalb des Zentrums zwischen Jugendstilvillen. Ich freue mich auf das ungewöhnliche Haus. Doch ich habe auf dieser Reise offenbar kein Glück mit den Bauten der Moderne, das Palais ist, so bedeutet ein Schild am Tor, vorübergehend geschlossen, der Eingang privat. Ich drücke meine Nase bzw. mein Handy an den Zaun und wechsle mehrfach die Straßenseite für einen Blick. Trotz dieser Schwierigkeiten kann ich erahnen, was sich für ein außergewöhnlicher Bau dahinter verbirgt. Ich erkenne großartige Details, das Haus ist wirklich durchgestylt bis in die letzte Ecke. Auch wenn ich nur Bruchteile des Gesamtwerks erhaschen kann, sehe ich, was der Architekt mit seinem Team Großartiges bewerkstelligt hat.

Und darum finde ich es nun doppelt schade, dass ich es mir nicht anschauen konnte. Aber da bin ich nicht die einzige, wie ich beim Googeln feststellen kann und begebe mich, mit nun mehr Zeit für die anderen Welterbe, in Richtung Zentrum.

Vier Kilometer sind es bis ins Zentrum zu laufen und die ganze Einfallstraße ist gesäumt von schönsten Jugendstilhäusern.

Ich komme auf einen Triumphbogen mit einer Quadriga zu, daneben stehen große Museen, davor Blumen und ein Springbrunnen. Im Park dahinter sitzen die Leute auf den Wiesen oder auf den Bänken und genießen die Herbstsonne.

Ich habe mir inzwischen auf meinen Fahrten angewöhnt, die Gegend quasi durch den Fotoapparat zu betrachten und nach schönen Motiven zu suchen. Und eines muss ich jetzt schon nach der kurzen Strecke außerhalb des Zentrums sagen – Brüssel ist wunderschön. Dazu das angenehme Französisch im Ohr, das macht gleich so eine angenehme Stimmung.

Plötzlich stehe ich vor dem Europaratsgebäude, da wird mir schon ein bisschen ernsthaft. Auf den Bänken davor sitzen die Angestellten im Anzug mit ihrem Mittagsimbiss.

Ich mache auch eine Laufpause und hänge meinen Gedanken nach und freue mich neben den großen und wichtigeren Dingen für den Moment über unsere unbegrenzte Reisefreiheit, den gleichen Impfpass und das gleiche Geld und den unendlichen Handytarif.

Mein Weg führt durch den Schlosspark und am Königspalast vorbei – wie sich das gehört, ziemlich groß mit goldenem Zaun davor. Das Gebäudeensemble daneben ist erwartungegemäß ebenfalls entsprechend riesig und geschmückt.

Ich komme durch die hübsche Galerie Ravenstein und den Hauptbahnhof.

Die nächste Überraschung folgt wenige Straßenecken weiter Richtung Marktplatz.

Die Königlichen Ladenpassagen Saint-Hubert (Tentativliste)

Die Galeries Royales Saint-Hubert stehen als die ersten wirklich monumentalen Einkaufszentren aus dem 19. Jahrhundert seit 2008 auf der UNESCO-Tentativliste. 1847 nach Pariser Vorbildern erbaut, spiegeln sie den Wohlstand und den Ehrgeiz des neuen belgischen Staates unter der Herrschaft von König Leopold I. wider. Die Galerie wurde entwickelt, um den ärmeren Stadtteil zu modernisieren und aufzuwerten und den reichen Bürgern unweit des Grand Place eine zeit- und standesgemäße Möglichkeit zu Einkaufen und Vergnügen zu schaffen. Der neoklassizistische Architekt Jean-Pierre Cluysenaar schuf in nur 18 Monaten Bauzeit mit seiner überdachten Straße mit dem Reiz eines “Kristallpalastes” eine neue Dimension für eine Einkaufspassage.

Passagen kenne und liebe ich aus meiner jahrzehntelangen Heimatstadt Leipzig. Die Galerie Royal ist dann aber doch noch ein ganz anderes Kaliber, als ich bisher an schönen Passagen kenne – feinste Baumaterialien, teuerste Läden mit schönsten Auslagen und die gesamte Galerie dementsprechend erlesen dekoriert.

Der Große Platz

Der Grand Place wurde im 11. Jahrhundert erbaut und ist heute das historische Zentrum Brüssels. Als einer der schönsten Plätze der Welt steht er seit 1998 auf der UNESCO-Welterbeliste. Die ursprüngliche Mischung von Gebäuden aus dem 15. bis 17. Jahrhundert wurde im Krieg durch die französische Artillerie zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte ab 1695 unter der Aufsicht des Stadtmagistrats in spektakulär kurzer Zeit und schuf nach dem historischen Vorbild Fassadenfronten mit ornamentalem Reichtum und architektonischem Gleichklang. Der orginalgetreue Wiederaufbau zeugt von der Macht und dem Stolz der Brüsseler Bürger, die ihre Stadt zu ihrem früheren Glanz zurückführten, statt sie in einem zeitgenössischen Stil wieder aufzubauen.

Das gotische Rathaus mit seinem Belfried ist das berühmteste Wahrzeichen des Grand-Place. Dem gegenüber steht das Königshaus, heute beherbergt es das Stadtmuseum. Auf den beiden anderen Seiten des rechteckigen Platzes befinden sich die wunderschön verzierten Gildehäuser. Jedes Haus hat einen Namen und spezifische Attribute, die mit Gold akzentuiert sind und den Status ihrer Zunft widerspiegeln. Bemerkenswert und durchaus selten ist ebenfalls, dass es am Grand Place keine Kirche o.ä. gibt, was seinen selbstbewusst kaufmännischen und administrativen Charakter unterstreicht. Der einzige Glockenturm ist der Belfried auf dem Rathaus (LINK). Hier gibt es ein Video zur Einstimmung.

Ich weiß noch, wie es mir förmlich den Atem verschlug, als ich während eines nächtlichen Aufenthaltes in Brüssel während der Wartezeit auf den Anschlusszug nach London das erste Mal auf dem Großen Platz stand. Heute schaue ich ihn mir vorbereitet und bei Tag an. Der große Markt ist umwerfend, dazu ist nichts weiter zu sagen, als – schaut euch die Bilder und mein Video an. Hier man kann stundenlang stehen, sich in die Details verlieren und findet immer noch neues, erstaunliches und erbauliches.

Ich hatte mir vorgenommen, den gesparten Eintritt des Palais Stoclet in Fritten und Waffeln umzusetzen. Ich folge der Empfehlung und bekomme bei Fritland’s so eine große Portion, die ich sie trotz meines großen Hungers und schon 28.000 Schritten fast nicht schaffen kann. Ich sitze während der Regenhusche unter dem Vordach und esse eigentlich nur auf, damit die Sonne wieder rauskommt.

Justizpalast (Tentativliste)

Der große Justizpalast wurde 1862 vom Brüsseler Architekten J. Poelaert im eklektischen Stil entworfen. Das Gebäude sollte einen ersten Justizpalast ersetzen, der baufällig und zu klein war. Das ehrgeizige Projekt umfasste neben 27 Gerichtssälen die zugehörigen Diensträume, Bibliothek, Postamt und Restaurant. Als Standort wurde eine der Höhen der Stadt in der Nähe des alten Galgenbergs, gewählt. Der Grundstein wurde 1866 gelegt der Justizpalast 1883 eingeweiht. Der Justizpalast steht seit 2008 auf der Welterbe-Vorschlagsliste.

Ich begebe mich aus dem unmittelbaren Zentrum in Richtung Justizpalast. Meine Bemühungen, die Fritten zu schaffen, sind offenbar erhört worden und die schwarze Wolke hat sich verzogen. Ich sehe das riesige Gebäude oben auf dem Berg thronen, es wird gerade rekonstruiert. Dafür gibt es davor einen Aufzug auf den Berg, von dem man einen wunderbaren Blick über die Stadt hat. Mein Weg zu diesem besonderen Bauwerk hat sich auch zweifach gelohnt, denn in einer der schmalen Straßen komme ich an einem der angesagten Second-Hand-Shops vorbei und kaufe mir einen warmen Pullover für die kälter werdenden Nächte im Dobby.

Jugendstilbauten von Victor Horta

Die Stadthäuser des Architekten Victor Horta (Brüssel) stehen seit 2000 auf der UNESCO-Welterbeliste. Victor Horta war einer der frühesten Initiatoren des Jugendstils und Hôtel Tassel, Hôtel Solvay, Hôtel van Eetvelde und Maison & Atelier Horta gehören zu den bemerkenswertesten Pionierwerken der Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Neuartige und Besondere sind der offene Grundriss, die Lichtstreuung und die brillante Verbindung der geschwungenen Dekorationslinien mit der Struktur des Gebäudes. Horta hat auch hier jedes kleinste Detail des Gebäudes, von der Türklinke oder der Klingel über die Beleuchtung bis zum Mobiliar, stilgenau gestaltet. Die stilistische Revolution wurde durch den Einsatz neuer Materialien (Stahl und Glas) und moderner Technik möglich. Hier gibt es ein Video.

Ich möchte meinen Stadtrundgang mit den Jugendstilikonen abrunden. Mit Mühe und Not finde ich die beiden in der Umgebung eher unscheinbaren Häuser Hôtel Tassel und Hôtel Solvay.

Ich erkenne sie erst, als ich davorstehe. Eine kleine Tafel und ein Stolperstein weisen auf das Welterbe hin, sie scheinen bewohnt, aber nicht zu besichtigen.

Etwas frustriert und mit Blick auf die Uhr, es ist schon nach Feierabend, lasse ich die Suche nach dem Victor Horta Museum für heute aus.

Ich fotografiere stattdessen am Straßenrand noch die eine oder andere Jugendstil- Schönheit im Verborgenen.

Auf den Straßen quält sich der Feierabendverkehr und ich verzichte bei meinem Pech mit den Moderne-Architekten-Meisterwerken darauf, zur Villa Bloemenwerf von Henry van de Velde (auf der Tentativliste seit 2008) zu fahren.

Resümee

Brüssel ist eine wunderschöne, interessante und vielgestaltige Stadt. Unter welchem Gesichtspunkt man sie durchstreift, man wird nicht enttäuscht werden. Die Stadt hat noch viel mehr zu bieten als den Grand Place, für mich war die Galerie Royale eine wunderbare Entdeckung. Etwas außerhalb des Zentrums kann man interessante Ecken und coole Läden finden. Und ganz egal, ob die Jugendstilikonen nun überzeugen, Brüssel hat hunderte wunderschöne Häuser dieses Baustils, den ich persönlich sehr liebe. Ein Streifzug durchs Europaviertel hat für mich den Hauch von Zukunft, Freiheit und Gemeinsamkeit. Unser Europa gibt mir letztendlich die Möglichkeiten für mein Welterbeprojekt. Brüssel steht für mich ganz oben auf der Must-See-Liste.

Tipp: Die gesamte Benelux-Tour ist hier beschrieben, die besuchten Ziele in diesem Blog. Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die aktuellen Komplettierungen habe ich hier beschrieben. Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet und kann sie empfehlen.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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