Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – S – Hansestadt Visby

Nach dem Besuch des letzten Struve-Meridiansteins in Finnland habe ich den Grenzfluss nach Schweden überquert und bin zum Spaß noch einige Kilometer bis zum Arctic Circle gefahren. Das Nordland zeigt sich in voller Abendschönheit.

Mein Übernachtungsplatz liegt an einem See mitten im Wald.

Mein nächstes Ziel ist Visby. Im letzten Jahr hatte ich keine Fähre nach Gotland bekommen, so dass dieses Welterbe noch aussteht.

Die Hansestadt Visby steht als einzigartiges Beispiel einer nordeuropäischen mittelalterlichen ummauerten Handelsstadt mit ihrem noch gut und vollständig erhaltenen Stadtbild und vielen bemerkenswerten historischen Bauwerken seit 1995 auf der UNESCO-Welterbeliste. Die Insel Gotland liegt etwa 100 km östlich des Festlandes und die Siedlung aus der Wikingerzeit entstand an einem natürlichen, durch Felsen geschützten Hafen. Gotländische Kaufleute betrieben von hier aus Handel auf der Ostsee. Während des 13. Jahrhunderts wandelte sich Visby zu einer beeindruckenden Metropole innerhalb der Hanse. Auch deutsche, dänische und russische Kaufleute siedelten sich hier an und bauten im Schutz der Stadtmauer Lagerhäuser aus Stein, Zunfthäuser, Kirchen und Residenzen. Im 14. Jahrhundert verlor Visby aufgrund der Pest und der Invasion der dänischen Armee unter König Valdemar Atterdag seine führende Position in der Hanse. Krieg und Piraterie im 15. Jahrhundert und geänderte Handelsrouten beeinträchtigten die Wirtschaft weiter. Erst im 18. Jahrhundert erlebte Visby eine Wiederbelebung von Handel und Industrie, Lagerhäuser wurden zu Wohnungen umgebaut, neue Gebäude auf den Ruinen früherer errichtet. Die 3,4 km lange Stadtmauer mit ihren Türmen und Toren sowie über 200 Speicher- und Kaufmannshäuser, der mittelalterliche Straßenplan und eine große Anzahl kleiner einheimischer Holzhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit ihrer ursprünglichen Bretterkonstruktion sind überwiegend gut erhalten. Das mittelalterliche Visby hatte 17 Kirchen und damit mehr als jede andere Stadt in Schweden. Die meisten verfielen jedoch nach der Reformation.

Am Morgen liegen hunderte Kilometer Autobahn vor mir, ich lege an der Hohen Küste eine Kaffeepause ein. Die Strecke kenne ich und unterwegs lasse ich die Erlebnisse der ersten Nordlandreise im letzten Sommer Revue passieren.

Es hat die ganze Nacht geregnet und das schlechte Wetter hält mich von einem Besuch in Uppsala ab. Ich fahre an Stockholm vorbei und endlich zum Hafen von Nynäshamn, um nach einer Fähre zu fragen. Ich habe Glück und bekomme sogar noch einen Platz für mich samt Dobby in zwei Stunden und am nächsten Abend zurück nach Oskarshamn, den zweiten Gotland-Fährhafen ca. 500 km weiter südlich. Der Norden ist insgesamt erstaunlich leer trotz der Ferien und des guten Wetters.

Die Überfahrt dauert reichlich drei Stunden und ich genieße es nach den vielen Kilometern, dass jemand anderes für die Fahrt zuständig ist.

Einen Nachtplatz finde ich im Naturreservat Högklint nicht weit vom Hafen entfernt. Das Wetter könnte noch einiges zulegen, doch die Stimmung ist gut und ich mache meinen ersten Erkundungsgang auf den Klippen.

Am Morgen stehe ich dort mit meiner Kaffeetasse und einigen Naturfreunden und wir genießen das Schauspiel aus Meer, Wind und Sonne.

Ich starte meine Inselrunde über die noch menschenleeren Straßen ins Innere der Insel. Dicke Wollschafe weiden, am Feldrain blühen Kornblumen und Klatschmohn, die Luft ist lau – die Insel ist so, wie man sich Urlaub vorstellt und ich kann nachvollziehen, warum so viele Leute hierher fahren.

Mein erstes Ziel sind die Funde aus der Bronzezeit bei Lärbro, die Runensteine, die Steinhügelgräber und der Klangstein. Überall blüht es, der Wald ist voller knorriger Windflüchter, Flechten und Moos.

Die Insel gefällt mir und ich beglückwünsche mich dazu, hier das Auto und ausreichend Zeit zu haben. Ich genieße die Runde, fahre zum Strand, vorbei an der bemerkenswerten Kirche von Tingstäde und zum Highlight, den blaugrünen Kalkseen im Naturreservat Bästeträsk.

Hier mache ich eine ausgedehnte Mittagspause und genieße den Tag. (Video)

Jetzt wird es Zeit für Visby, ich parke, wie immer, etwas außerhalb der Stadtmauer.

Die ist schon sehr beeindruckend, scheint wirklich noch fast vollständig zu sein und einen der Türme kann man sogar besteigen und hat einen Blick über die Türme der Stadt. Überall gibt es Erklärungen und Geschichten, die Wege sind gut ausgeschildert.

Das nächste Highlight folgt umgehend – ich komme in den wunderschönen Botanischen Garten.

Die Innenstadt erinnert mich sofort an die Skipperstadt Dragør in Dänemark, die ich im letzten Jahr besucht habe – bunte Häuser und Blumen.

Natürlich ist Visby um einiges größer und vielgestaltiger. Auf dem alten Markt pulsiert das Leben, heute ist Markttag und die Besucher sitzen vor den Gaststätten in der Sonne.

Das Zentrum ist dominiert von den vielen Kirchenruinen, die malerisch zwischen den Plätzen und Straßen aufragen. Wie sie so leer dastehen, wird die Höhe der gotischen Gewölbe besonders spürbar. Teilweise werden sie heute für Kultur- und Veranstaltungen genutzt.

Der Dom St. Marien ist wunderschön und gut erhalten, innen und außen reich verziert. Mit seiner Besichtigung geht meine Visby-Runde leider ihrem Ende entgegen.

Ich gehe oberhalb des Zentrums am Stadtrand entlang, werfe noch einen Blick über die Dächer der bunten Häuser und die schmalen blumengeschmückten Gassen. Von hier aus sieht Visby aus wie eine Spielzeug-Stadt.

Abschied von der Insel nehme ich mit einem Blick auf einen der berühmten Rauken-Steine unweit des Hafens.

Hier gibt es ein Video.

Resümee

Mein Ausflug auf Gotland war so, wie man sich nordländischen Sommer vorstellt. Die Insel hält für ihre Besucher neben fantastischer Natur viele interessante Entdeckungen bereit und es lohnt, ein Auto oder auch Fahrräder dafür zu haben.

Visby ist eine etwas andere Hansestadt, kleiner, bunter, beschaulicher und weniger vom Reichtum geprägt. Dafür besticht sie durch ihre Blumenpracht. Innerhalb der beeindruckenden Festungsmauer tun sich bunte Gassen und belebte Plätze auf, die von romantischen Kirchenruinen überragt werden.

Wenig später sitze ich mit meinem Buch an Deck der Fähre und blicke in der untergehenden Sonne zufrieden auf die sich entfernende Insel zurück – Gotland war eine echte Bereicherung meiner Runde und ist in jedem Fall eine Sommer-Reise wert.

Die gesamte Tour go-north 2.0 ist hier beschrieben und hier gibt es den Überblick über die besuchten Welterbe. Hier gehts zu meinem Welterbe-Projekt und hier zum ursprünglichen Umbau des Dacia-Dokker als Minicamper. Dobbys angepasste Einrichtung und Ausstattung hat sich auch im Novemberwetter bewährt. Alle Details dazu findet ihr hier. Meine Übernachtungsplätze habe ich wieder auf park4night gesucht und unter 5Reisende bewertet.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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