Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – D – Völklinger Hütte

Meine Tour in den Süden hält ein Kontrastprogramm für mich bereit – nach den verspielten Schlössern geht es zu einem Koloss der Schwerindustrie nahe der französischen Grenze. Die Autobahn ist nach dem Hochwasser im letzten Jahr immer noch teilweise gesperrt. Mein Navi leitet mich auf dem direkten, landschaftlich wunderschönen Weg durch die Vulkaneifel und das Ahrtal. Ich habe auf den letzten Touren schon einige Industriedenkmäler besucht und bin gespannt, was mich erwartet.

Der Völklinger Eisenhüttenkomplex steht seit 1994 auf der UNESCO-Welterbeliste. Dieses Industriedenkmal für die Roheisenproduktion in Westeuropa umfasst eine 6 ha große Fläche und prägt das Stadtbild von Völklingen. Auf dem Gelände und in den Gebäuden und Anlagen wird der gesamten Prozess der Roheisenerzeugung authentisch und vollständig demonstriert. Von der Rohstoffhandhabung und Verarbeitungsausrüstung für Kohle und Eisenerz bis zur Hochofeneisenproduktion mit allen Hilfsausrüstungen, wie Gasgebläse und -Reinigung, sind hier sämtliche Stufen des Roheisenproduktionsprozesses zu erleben. Die Völklinger Hütte veranschaulicht die Industriegeschichte und die ingenieurtechnische Leistung während der ersten und zweiten industriellen Revolution im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Die Produktion in Völklingen wurde 1986 eingestellt, aber große Teile der Anlagen sind seit ihrem Umbau 1935 unverändert geblieben. Erhalten sind auch der Kohleturm von 1898, einige der zwischen 1905 und 1914 gebauten Gasgebläsemaschinen und das Hängefördersystem von 1911. Ein Einführungsvideo gibt es hier.

An der Abfahrt Völklingen steht zwar ein Hinweis auf das Welterbe, danach bin ich auf die eigene Orientierung nach der Silhouette des Industriedenkmals angewiesen. Jeden Kreisverkehr, den ich passiere, ziert eine Skulptur, die auf die Hütte hinweist. Ich fahre auf den kostenlosen Besucherparkplatz, auf dem sogar ein eigener Wohnmobilstellplatz eingerichtet ist.  

Im Welterbezentrum* werde ich willkommen geheißen und auf Tour durch das riesige Gelände geschickt. Das ist trotz der Weitläufigkeit und Vielfältigkeit sehr gut möglich, denn es gibt nicht nur allgemeine, sondern auch an jeder Maschine und Anlage spezielle Informationen zu Geschichte, Bedeutung und Technologie, über und um das Eisen, Filme und Modelle.

*(ADAC-Mitglieder oder BahnCard-Besitzer bekommen Rabatt) 

Der gesamte Betrieb ist für Besucher geöffnet und ich kann verschiedene Ebenen besichtigen und sogar an einigen Stellen durch Glasdecken in die untere Etage schauen. Geräusche und Lichteffekte machen die Stimmung authentisch.

Im Hüttenkino läuft ein Film über die Entwicklung der Völklinger Hütte. Filme, in denen ehemaligen Kumpel berichten, bieten persönliche Geschichte zum nacherleben.

In den Ausstellungen wird die Völklinger Anlage in die Geschichte der Technik und Deutschlands Schwerindustrie eingeordnet. Aber auch die Schattenseiten, wie Zwangsarbeit während des Krieges und Verbrechen im Zusammenhang mit der Rüstungsindustrie werden ebenso schonungslos beleuchtet wie das frühere Arbeiten in einer Eisenhütte, wo Schmutz, Lärm und Staub an der Tagesordnung und Arbeitsschutz nicht vorhanden waren.

Ich vergleiche in Gedanken meine bisherigen Industriestandort-Besuche – gegen die historische schwedische Eisenhütte Engelberg, die etwa ein Jahrhundert vor dieser einzuordnen ist, ist die Anlage hier einfach gigantisch. Wie in der Zeche Zollverein in Essen holt sich die Natur dort, wo sie keiner mehr stört, ihren Teil zurück.

Am Ende umrunde ich die Hochhöfen auf dem Freigelände und finde all die fotogenen Blicke, die ich mir in der Ausstellung vorgemerkt hatte.

Hier gibt es noch ein kleines Video und hier einen Schwenk über das Gelände.

Resümee

Die Völklinger Hütte bietet Erkundungsraum für mindestens einen ganzen Tag. Die Ausstellung ist nicht nur für Technik-Fans extrem spannend, es gibt auch darüber hinaus viel zu sehen, zu erfahren, zu bestaunen und zum nachdenken. Der große Komplex ist aber nicht nur ein imposantes Industrie- und Geschichtsdenkmal, sondern zugleich ein ganz lebendiger Ort, in dem Gegenwartskunst und -Kultur ihre Bühne finden, wie z.B. die alljährlich und gerade eben laufende Urban Art Biennale.

Es wird Abend, ich reihe mich zwischen die großen Mobile auf dem Womo-Platz ein und verbringe eine ruhige Nacht im Angesicht der farbig beleuchteten Stahlriesen.

Und die Entwicklung ist weitergegangen, das entdecke ich, als ich am nächsten Morgen auf meiner Fahrt in den Süden an den riesigen Werken der Saarstahl vorbeikomme. Ein paar Kilometer geht es durch Frankreich und ich decke mich natürlich mit Baguette und meinem Lieblingscamembert ein.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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