Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – I – Le Strade Nuove und der Palazzi-dei-Rolli-Komplex in Genua

Ich komme aus dem Piemont durch die wunderschöne Landschaft, die alten romantischen Dörfer mit kleine Kirchen oder große Basiliken und ab und an mal einem Schlösschen auf dem Berg. Lange begleiten mich im Hintergrund die schneebedeckten Berge. Genua ist die erste Großstadt auf meiner Italienroute. Steil bergab komme ich zum Meer, der Himmel hat sich grau zugezogen, umso krasser wirkt dagegen das türkise schäumende Meer.

Die Strade Nuove und das System der Palazzi dei Rolli im historischen Zentrum von Genua stehen seit 2006 auf der UNESCO-Welterbeliste. Der Komplex stammt aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, als die Republik Genua auf dem Höhepunkt ihrer Finanz- und Seemacht war. Die Strade Nuove (Neue Straße) war ein öffentliches Stadtentwicklungsprojekt des Senats aus dem Jahr 1576, auf dessen Grundlage die wohlhabenden Aristokraten im oberen Teil der Stadt nördlich der engen Gassen mit den dicht gedrängten mittelalterlichen Gebäuden ein neues Viertel mit formell angelegten Straßen und Palästen errichten ließen. Entlang der Strade Nuove entstand so ein Ensemble aus Renaissance- und Barockpalästen, die in außergewöhnlicher Vielfalt unterschiedliche Lösungen präsentieren, um sich an die besonderen örtlichen Gegebenheiten und an die Vorgaben des Projektes anzupassen. Die Palazzi dienten als private Residenzen, aber auch für Staatsgeschäfte. Obwohl die Paläste sehr unterschiedliche Designlösungen zeigten, hatten sie gemeinsam je drei oder vier Stockwerke, eine Eingangshalle mit spektakulären offenen Treppen, Innenhöfe und Loggien mit Blick auf die Gärten. Die Innendekoration bestand aus Stuckarbeiten und Fresken. Hier gibt es das Einführungsvideo.

Die Küstenstädte sind voll und  der Verkehr schleppt sich, in den Häfen liegen die Luxusliner. Ich parke in Genua gleich am Hafen, die Sonne scheint wieder und ich bin gespannt auf die Palast-Straße. Die Großstadt Genua klebt bis weit oben am Berg, aber diesmal kleben da nicht die kleinen Häuschen der Fischer oder Weinbauern, sondern die großen Mehrgeschosser. Alles macht einen sehr südländischen Eindruck.

Das Wasser am Hafen glänzt in der Sonne, dann trete ich ins Dunkel der schmalen Gassen des Hafenviertels. Umsäumt von hohen Häusern kommt hier unten wahrscheinlich nie ein Sonnenstrahl an.

Einige der Palazzi dei Rolli sind schon an den kleinen Plätzen rings um die Strade Nuove zu sehen und ich stehe schnell vor dem ersten. Er ist schon sehr beeindruckend, riesig wirkt er in der schmalen Gasse, reich und bunt verziert. Die unteren beiden Geschosse sind sehr hoch, deshalb reichen vier, um das Gebäude viel höher erscheinen zu lassen.

Und dann ist es wie immer, hat man das erste gefunden, dann erschließen sich die anderen. Die Beschilderung der Palazzi ist regelrecht mustergültig, es gibt Beschreibungen, Innenaufnahmen und QR-Codes und eine spezielle dei Rolli-Tour, die von Palazzo zu Palazzo führt. Ich nehme mir vor, mindestens die Hälfte der Welterbe-Palazzi zu finden.

Heute herrscht in den engen Hafengassen städtisches Flair, im Erdgeschoss der Häuser sind kleine Läden und oben Wohnungen. Es wird viel gewerkelt und ich frage mich wieder, wie man so etwas erhalten kann, gebaut vor mindestens 400 Jahren und in dieser Enge, wo kaum moderne Technik Platz findet. Und wie macht man in den alten Geschossen modernes Leben möglich?

Und als ich mich lange genug durch die Häuserschluchten geschlagen habe, komme ich Richtung Strade Nuove. Hier ist mehr Platz zwischen und alles sehr gut erhalten. Gefällt mir die Strade Nuove nun besser als die in den engen Gassen? Ich weiß es gar nicht so richtig, die schmalen Gassen hatten auf alle Fälle mehr altertümlichen Charme.

Ich werde auf meiner Reise noch einige dieser Viertel zu sehen bekommen und ich kann jetzt schon eines sagen – wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, dann entfalten sie ihren einmaligen Reiz.

In den Palästen entlang der Strade Nuove sind Museen untergebracht und in einem der größten auch die Stadtverwaltung. Ich besichtige den Palazzo Bianco und schaue mir sein Innenleben aus dem 16. und 17. Jahrhundert an. Zu sehen sind Gemälde, Porzellan, Münzen, Statuen, ein wunderschöner Innenhof mit Garten und einige Räume vom alten Glanz (Video). In den schönsten macht man mir Musik von Paganini an, dem großen Sohn der Stadt. Passend dazu sind seine berühmten Geigen zu sehen. Und so findet mein Bummel durch die Paläste einen gelungenen und stimmigen Abschluss. (Video)

Zurück im Parkhaus am Hafen checke ich die Strecke. Heute Abend fahre ich noch ein Stück auf den Serpentinen oberhalb der Küste entlang Richtung Cinque Terre.

Resümee

Paläste im Hochkant-Format, Renaissance und Barock auf engstem Raum, es lohnt sich auf jeden Fall, sich zum Hafen von Genua durchzuschlagen, von hier unten die große Stadt am Berg kleben zu sehen, durch die dunklen Gassen des Hafenviertels zu streifen, das bunte Leben und Treiben in den Häuserschluchten zu erleben, die reich verzierten Palazzi zu bestaunen und dann die Sonne und die Blumen in einem der Innenhöfe der Paläste entlang der Strade Nouve, untermalt mit feinen Geigenklängen, zu genießen.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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