Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – I – Cilento-Nationalpark, Paestum, Velia und die Kartause von Padula

Ich habe die Amalfi-Küste durchfahren, mein Kopf ist voller Eindrücke. Ab der Hafenstadt Salerno ist bereits die historische Stätte Paestum ausgewiesen, der erste Teil des sich über etwa hundert Kilometer erstreckenden Welterbegebietes des Cilento-Nationalparks. Ich werde hier drei historische Orte besuchen, die über einen Zeitraum von zweitausend Jahren entstanden sind und unterwegs versuchen, einen Einblick in die Berglandschaft des Cilento zu bekommen.

Der Cilento und Vallo di Diano Nationalpark mit den archäologischen Stätten von Paestum und Velia und der Certosa di Padula steht seit 1998 auf der UNESCO-Welterbeliste. Der Nationalpark mit seiner vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt ist der zweitgrößte Italiens und besteht aus einer Bergregion, die zum Tyrrhenischen Meer hin abfällt und durch mehrere Flusstäler geteilt wird. Entlang der drei Ost-West-Bergkämme zeugen Heiligtümer und Siedlungen aus verschiedensten Epochen von der historischen Entwicklung des Gebietes. Seit etwa 250.000 Jahren war das Gebiet besiedelt. Der Cilento bildete später die Grenze zwischen den griechischen Kolonien Magna Graecia und den indigenen etruskischen und lukanischen Völkern. Hier verlief eine wichtige Handelsroute, an der kulturelle und politische Interaktionen stattfanden. Davon zeugen die vielen prähistorischen und frühgeschichtlichen Stätten, die mittelalterlichen Städte und Burgen. Die bemerkenswerteste archäologische Stätte ist die von Paestum, der griechischen Stadt Poseidonia, die Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. gegründet wurde. Ein weiterer bedeutungsvoller Ort ist das archäologische Gebiet von Velia, das die monumentalen Überreste der Kolonie Elea, die in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr. von den phokäischen Griechen gegründet wurde, bewahrt. Die Certosa di San Lorenzo in Padula im Vallo di Diano schließlich ist eine der beeindruckendsten Klosteranlagen der Welt. Mit ihrem Bau wurde 1306 begonnen, die heutige barocke Form entstand durch die Umbauten im 17. und 18. Jahrhundert.

Paestum – Poseidonia


Ich bin es nach der Amalfi-Küste schon fast nicht mehr gewöhnt, auf einer ebenen und geraden Straße zu fahren. Doch ab Salerno geht es geradeaus am Meer entlang, vorbei an riesigen Gewächshaus-Anlagen, blühenden Obst- und Apfelsinenbäumen voller Früchte. Das kleine Städtchen Paestum weiß nicht so recht, ob es mehr von seiner Lage am Meer mit den breiten weißen Stränden oder von seinen Ausgrabungen profitiert. Ich werde am Stadtrand auf eine Wiese eingewiesen, zahle einen Euro an der Parkplatz-Opa und bekomme mit einem Handzeichen den Weg zur Ausgrabungsstätte gewiesen.

Durch die Fußgängerzone und vorbei an einer beeindruckenden Verteidigungsmauer erklärt sich schnell, warum ich nicht zu meinen angepeilten Parkplatz kommen konnte – ich bin in Italien, es ist Sonntagnachmittag und die Straßen vor den Gaststätten und Bars werden für Tische und Tanz abgesperrt.

Schon von außen sehe ich die großen Tempel im Gelände. Die antike Stadt trug wegen ihrer Lage am Meer den Namen Poseidonia. Der größte Tempel ist Neptun gewidmet, der kleinere daneben Hera. Die Tafeln, die überall im Gelände stehen, sind sehr informativ, beschreiben Größe, Bauweise und Bedeutung der Tempel und das Aussehen der Gebäude, die auf den verbliebenen Grundmauern standen. Alles hier ist gigantisch, der Neptuntempel weist stattliche 24 mal 60 Meter auf, der kleinere 24 mal 50 m.

Ich versuche, zwischen den Riesenbauwerken einen Platz für ein Video zu finden, was mir wegen ihrer Größe schwer gelingen will.

Ich habe in den letzten Wochen Rom, Hadrians Villa und Pompeji gesehen, da hat es Poseidonia mit seinen drei großen Tempeln nicht leicht. Aber es ist ja auch nur ein Puzzleteil im großen Welterbekomplex des Cilento-Nationalparks. Und – gegenüber der Ausgrabungsstätte gibt es noch ein kleines Museum, das zur Ausgrabungsstätte gehört. Hier sind die Wandmalereien aus den Ausgrabungen der Nekropolen zu sehen sowie Töpfereien und Skulpturen ausgestellt. Ihre Präsentation ist erwähnenswert, weil interessant und einfallsreich. (Hier geht es zur Seite des Museums mit einigen Videos.) Es laufen zusätzlich zu den zahlreiche Erläuterungen auch Filme, aus denen man auch erfährt, wie sich die Stadt im Laufe derJahrhunderte verändert hat, teilweise überbaut wurde und die Gebäude andere Funktionen bekamen.

Und so bin ich am Ende meiner Runde sehr zufrieden mit meinem Besuch in Paestum und habe unerwartet viel Neues gesehen und erfahren. (Video)

Mein Ticket gilt gleichzeitig für die zweite Ausgrabungsstätte im Cilento-Nationalpark und für mehrere Tage. Elea ist fast 50 km entfernt und ich überlege, einen kleinen Umweg zu fahren und auch diese Stätte zu besuchen. Diesen Wink soll ich am nächsten Tag nicht bereuen.

Die Sonne scheint nicht mehr so stark, der Wind hat aufgefrischt und ich fahre von der Küste durch die Berge, um in der Nähe des nächsten Welterbe-Puzzleteiles zu übernachten.

Fahrt im Cilento-Nationalpark

Die Fahrt durch den Nationalpark ist fantastisch und das nicht nur, weil es eine Schnellstraße gibt, sondern weil ich die ganze Strecke zwischen dicht bewaldeten Bergen entlangfahre und sich nach rechts und links ständig neue Ausblicke auftun.

Mein Nachtparkplatz an einem kleinen Angelspot am Meer belohnt mich mit einem tollen Ausblick aus dem Fenster.

Velia – Elea

Ich genieße meinen Morgenkaffee am Strand in der Sonne und schaue auf den Handatlas nach den als landschaftlich schön markierten Strecken im Nationalpark.

Mein Parkplatz ist nur einen Kilometer von Elea entfernt und als ich um die nächste Ecke biege, sehe ich auch schon die alten Türme und Ruinen oben auf dem Berg. Elea wirkt wie die kleine Schwester der großen Tempelstadt von gestern, hier ist alles ruhig und weniger touristisch aufgezogen.

Ich gehe durch den Eingang zur Ausgrabungsstätte. Hier ist man sehr bemüht, sich um die jetzt am frühen Morgen noch wenigen Touristen zu kümmern. Ich beginne den Rundgang, überall stehen Erläuterungstafeln. An einigen Stellen kann ich Ausgrabungs- und Sicherungsarbeiten beobachten. Elea war einst eine Hafen- und Handelsstadt und Sitz einer berühmten Philosophenschule. Anders als in Poseidonia gibt es hier Zeugen verschiedener Jahrhunderte, beginnend von den Zeugnissen der alten Griechen im 5. Jahrhundert v. Chr. über die Römer bis zum Normannenturm aus dem 12. Jahrhundert, den ich schon von Ferne gesehen hatte. Ich gehe über historische Straßen und durch Torbögen, sehe Mauern, Teile von Gebäuden und Wandmalereien.

Mein Rundgang ganz alleine auf Spurensuche ist extrem spannend. Eidechsen rennen vor meinen Füßen, überall blühen die Blumen und die gesamte Anlage ist sehr romantisch. Ich freue mich, dass ich mich habe hierher locken lassen.

Später kraxele ich die steilen Stufen hoch zum Theater und der Zitadelle oben auf dem Berg, von hier habe ich einen fantastischen Ausblick. (Video)

In der kleinen Kirche ist ein Museum mit Ausgrabungsstücken eingerichtet. Wo einst der Tempel der Athener stand, steht jetzt der große Turm.  Vor mir das Meer, im Hintergrund die Berge des Nationalparks, es ist wirklich wunderschön hier.

Nur die berühmte Porta Rosa, eines der ältesten erhaltenen Bauwerke , kann ich nicht finden und bekomme, als ich an der Rezeption danach frage, eine wundervolle, unterhaltsame und sehr interessante persönliche Führung vom sicher besten Guide des Museums*. So sehe ich nicht nur das besonders geschützte große Sandstein-Bogentor, sondern erfahre Vieles über die Pflanzen und Kräuter der Gegend, die schon die frühen Einwohner der Stadt zur Herstellung verschiedener Medizin genutzt haben. Ihre großen Kenntnisse haben später zur Gründung der ersten Medizinschule in Salerno beigetragen.

Als unsere Runde beendet ist, kommen die Schulklassen und man freut sich, endlich wieder Leben im Gebiet zu haben und ich für meinen Teil bin froh, dass ich auf meiner Runde alleine war.

Aus dem geplanten kleinen Spaziergang sind mehrere Stunden geworden, von denen ich keine Minute bereue.

*Archeo Trekking Dr. Di Bello Guiseppe www.archeotrekking.net

Weiter durch den Cilento-Nationalpark

Richtung Padula fahre ich wieder auf der Schnellstraße durch die Berge. Unterwegs sehe ich die verschiedenen Seiten des Cilento, die von sanften Hügeln und grünen Hängen bis zu hohen Bergen, auf deren kahlen Spitzen noch Schnee liegt, reichen. Große Brücken überspannen die Täler. Ich habe immer wieder fantastische Ausblicke auf das türkise Meer oder die hohen Berge im Hinterland und versuche, einige Fotostopps einzulegen.

Padula – Certosa di San Lorenzo

Nach Padua geht es wieder hoch in die Berge. Hier oben ist der Frühling noch nicht angekommen, die Bäume sind noch braun und die schneebedeckten Gipfel kommen immer näher. Das Städtchen selbst klebt am Berg, ich bin schon an mittelalterlichen Mauern und Torbögen vorbeigekommen und parke etwas unterhalb der Stadt.

Das Kloster liegt letztendlich nicht auf dem Berg, wie ich nach den Kirchtürmen und meiner Klostererfahrungen angenommen hatte, sondern nur etwa 100 m neben meinem Parkplatz. Doch bis ich das merke, laufe ich eine Ehrenrunde entlang der Klostermauern und bekomme gleich eine Vorstellung von der Größe des Klosterkomplexes. Zu meiner Ehrenrettung, Hinweisschilder sind wirklich sehr dünn gesät.

Die Sonne scheint, die Umgebung und die Lage der Klosteranlage sind wunderschön und ich bin begeistert, als ich in den Wirtschaftshof des Klosters trete.

Das Kloster wurde ab 1306 von der örtlichen Grafenfamilie Sanseverino finanziert, die die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mönche nutzten, um den Sumpf ihrer Ländereien trocken zu legen zu lassen. Eine damals nicht unübliche Win-Win-Situation. Die Kartause hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, wurde zwischenzeitlich als Gefängnis genutzt und leider teilweise zerstört.

Doch mittlerweile wurde viel wieder in den alten Glanz versetzt und bereits im ersten Raum bin ich sprachlos. Die barocke Anlage wird seit etwa 1980 schrittweise rekonstruiert und wurde später von der UNESCO in das Cilento-Welterbe eingebunden.

Die Klosteranlage ist riesig, schließlich verfügt das Kloster über den größten Kreuzgang der Welt. Ich habe Mühe, auch nur einige Teile dessen anzuschauen, die mir mein Audioguide vorschlägt. Ich komme durch Kirchen und Kapelle, die Küche und den Speiseräum und bewundere an jeder Ecke die Größe und Schönheit des Klosters. (Video)

Während meines Rundganges erfahre ich viel über das Leben im Kloster. Die Mönche lebten enthaltsam, aßen fleischlos und waren fast immer alleine in ihrer Zelle. Sie durften trotzden Wein trinken und ab und an gab es rauschende Feste für fürstliche Besucher. Einige Zellen sind zu besichtigen, das waren kleine Zweizimmerwohnungen mit Garten und der Abt des Klosters besaß eine wunderschön geschmückte Wohnung mit eigener Kirche.

Leider ist die Bibliothek wegen Rekonstruktionsarbeiten geschlossen, an jeder Ecke wird unheimlich viel gebaut. Dieses Kloster ist damals wie auch heute eine Jahrhundertaufgabe. Alleine der Bau des großen Kreuzgang mit seinen zwei Stockwerken soll, wie ich erfahre, 200 Jahre gedauert haben. (Video)

Weiter komme ich durch Innenhöfe, ein imposantes Treppenhaus und den kleinen Kreuzgang mit der wunderschönen Wand- und Deckenbemalung.

Im letzten Hof spielt Musik und vollendet meinen begeisterten Gesamteindruck. (Video1, Video2) Ohne mein Welterbeprojekt wäre ich sicher nicht in den kleinen Ort Padula mitten in den Bergen gefahren.

Zum Abschluss meiner Runde sitze ich im Klosterhof bei einem Kaffee in der Sonne und denke über die weitere Strecke nach. Der Cilento war das letzte Welterbe auf dem Festland Richtung Süden, morgen werde ich nach Sizilien übersetzen.

Weiter nach Süden fahre ich auf der E 45, der kostenfreien und dementsprechend schlechten Autobahn mit ihren vielen Baustellen. Die Fahrt ist trotzdem landschaftlich unheimlich schön, die Straße überspannt die Täler und durchbohrt die Berge und nach jedem Tunnel bietet sich ein neuer fantastischer Ausblick.

Ich übernachte neben einer noch geschlossenen Strandbar. Die Tage sind mittlerweile schon fühlbar länger und die Sonne scheint noch warm – Gelegenheit für ein kurzen Kontakt mit dem Meer.

Resümee

Der Cilento-Nationalpark ist groß, wunderschön und vielgestaltig und das Welterbe hält einige Highlights für eine Süditalienreise bereit. Neben der wunderbaren Landschaft mit ihren Wandergebieten und den schönen Stränden kann man hier auf Spurensuche alter Kulturen gehen. Ich kann gar nicht sagen, welche der beiden Ausgrabungsstätten mich am meisten beeindruckt hat, wahrscheinlich das vielschichtige Elea mit seinen Zeugnissen verschiedener Jahrhunderte, nicht zuletzt wegen der Romantik und auch der Führung durch Fauna und Flora. Die Kartause von Padula ist ein Geheimtipp und ein echtes Kleinod im Verborgenen, das sich anzufahren auf jeden Fall lohnt.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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