Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – I – Venedig und seine Verteidigungsanlagen

Venedig und seine Lagune

Venedig ist eines der ältesten Welterbe Italiens, zu Recht. Die Meisten sind sicher schon einmal hier gewesen und ich freue mich, fast am Ende meiner Italien-Welterberunde, auf den Besuch. Ich habe in Mestre übernachtet, am Morgen scheint die Sonne und ich werde mit der Fähre nach Venedig fahren, was ein zusätzliches Erlebnis verspricht.

Das UNESCO-Weltkulturerbe von 1987 umfasst die Stadt Venedig und ihre Lagune. Im 5. Jahrhundert n. Chr. gegründet und auf 118 kleinen Inseln verteilt, entwickelte sich Venedig aus Bauern- und Fischerdörfern im 10. Jahrhundert zu einer großen Seemacht. Die venezianische Bevölkerung suchte zunächst vor Überfällen Zuflucht auf den Sandinseln und ihre dortigen temporären Siedlungen wurden allmählich zu dauerhaften. Bald besaß fast jede kleine Insel ihre eigene Siedlung, Stadt, Fischer- oder Handwerkerdorf. Im Laufe der Jahrhunderte und während der gesamten Zeit der Expansion hörte Venedig nicht auf, seine Position in der Lagune zu festigen und gegen die benachbarten Mächte zu verteidigen und wurde so eine der größten Hauptstädte der mittelalterlichen Welt. Aus der Gruppe winziger Inseln wurde ein einzigartiges städtischen System, das auf einem Netzwerk von Kanälen basierte und aus den Inseln eine Stadt auf dem Wasser schuf. Venedig ist das Ergebnis der dynamischen Interaktion zwischen Menschen und ihrer natürlichen Umgebung. Ständig waren und sind bis heute hohe technische und kreative Fähigkeiten erforderlich, um die hydraulischen und architektonischen Arbeiten im Lagunengebiet zu meistern. Die Stadt und ihre Lagune bilden eine untrennbare Einheit, Venedig ist ihr pulsierendes historisches Herz. Der Einfluss Venedigs auf die Entwicklung der Architektur und der Monumentalkunst war beträchtlich. Die ganze Stadt ist ein außergewöhnliches architektonisches Meisterwerk und kulturelles Zentrum und beherbergt in ihren Palazzi unzählige Kunstschätze und Werke einiger der größten Künstler der Welt.

Ich gehe am frühen Morgen zum Anleger, bekomme einen Stadtplan und die Fahrzeiten in die Hand und sitze glücklich in dem um diese Uhrzeit fast leeren Boot. Die Silhouette der Stadt sehe ich schon in der Ferne.  Auf dem Damm herrscht reger Verkehr, Autos, Züge und Busse, Flugzeuge starten und landen darüber hinweg. Unser Boot tuckert langsam dahin und wir begegnen Gondolieri, die stehend ihre Boote rudern – hier prallen förmlich die Zeitalter aufeinander.

Unser Haltepunkt ist gegenüber der Friedhofsinsel und ich wandere durch schmale Gassen und über kleine Brücken auf Brunettis Spuren, versuche mich seinem Schritt, den ich ja aus unzähligen Filmen kenne, anzupassen.

Die ersten Touristen bevölkern die Straßen, das Geschäft der Gondolieri und Lastenfahrer beginnt.

Ich bewundere die marode Schönheit der leicht verfallenden Gebäude mit ihren wunderbaren Verzierungen. Venedig zu lieben ist sicher Ansichtssache, nicht jeder verfällt seinem Charme.

Die Gassen hinter den Kanälen sind so schmal und sonnenlos, wie ich sie von den anderen Städten in Italien schon kenne. Die Wäsche hängt zwischen den Häusern und überall beginnt geschäftiges Treiben. Ich wandere im Zickzack über Brücken und durch Gassen und mache mir wie üblich so meine Gedanken über das Leben in dieser historischen Stadt, wo man förmlich in jeder Ecke die Feuchtigkeit spürt, und nicht nur nach dem Regen der letzten Tage.

Venedig ist die Filmkulisse an sich, immer wieder bleibe ich stehen und mache Fotos und versuche dabei, meine Richtung nicht aus den Augen zu verlieren. An den kleinen Piazzi stehen Kirchen oder werden Tische vor die Restaurants auf den Platz getragen. Die Palazzi erzählen vom alten Glanz.

Ich folge den Schildern San Marco rechts oder links und nutze die morgendliche Ruhe für einen Schwenk über den herrlichen großen Platz. Die Läden und Restaurants sind hier nobler und schon von Touristengruppen eingenommen. Die ersten Gondoliere schmettern ihre Arien durch die Häuserschluchten und in der Oper probt der Chor. (Video)

In den Gassen stehen die Häuser oft so dicht, dass man seinem Gegenüber eine Tasse Kaffee reichen könnte. Dagegen ist der Markusplatz mit seinem Dom, der astronomischen Uhr und im venezianischen Löwen eher wie im Zuckerbäckerstil. Am Dom wird gebaut, er öffnet erst 14:00 Uhr. Deshalb stelle ich mich erst einmal gegenüber an, um auf den Turm zu kommen. Während der Wartezeit schlagen die Glockenmänner – was habe ich heute für ein Glück, nicht nur mit dem Wetter. Endlich stehe ich auf der Aussichtsplattform und beschließe, meine selbst auferlegte Fotobeschränkung heute auf jeden Fall nicht einzuhalten. (Video)

Vor der Rialtobrücke und darauf muss man wegen der unendlichen Selfies anstehen. Auf dem Canale Grande ist viel Verkehr, die Restaurants und die Händler haben mittlerweile gut zu tun. Ich sitze am Wasser in der Sonne und genieße die Stimmung. Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, noch einen Fisch- oder Muschel- Markt zu finden, aber ich glaube, Venedig lebt heutzutage wohl mehr vom Touristenfang.  

Es ist etwas diesig geworden, eine eigenartige Stimmung legt sich über die Stadt. Ich stelle mich am Dom an, die Glockenmänner schlagen die nächste Stunde. Der Dom ist innen überwiegend dunkel und in Gold, das ist, bei aller Schönheit, für mich am Ende meiner Tour nichts Neues mehr.

Dann ist es Zeit, zum Abfahrtsteg meines Bootes zu gehen, um in Mestre den Dobby rechtzeitig auszuparken.

Resümee

Venedig war und ist etwas ganz Besonderes. In der Nebensaison kann man es sogar einige Stunden ungestört genießen. Selbst wenn man nur einfach durch die Gassen oder entlang der Kanäle und über die kleinen Brücken streift, spürt man den Hauch der Geschichte und den Zauber dieser besonderen Stadt. Venedig hat unendlich viel zu bieten, es gibt immer wieder neue Dinge zu entdecken. Der Rundblick vom Campanile ist fantastisch, der Dom traumhaft schön. Museen und Fahrten mit dem Vaporetto oder einer Gondel durch die Kanäle, ein Abend im Restaurant am Wasser – Venedig ist immer wieder einen nächsten Besuch wert.

Ich werde als nächstes den venzianischen Verteidigungsring besichtigen und verbringe meinen Abend an einem kleinen Hafen im Gebiet der Lagune.

Venedig war meine letzte große Stadt auf dieser Runde, jetzt kommen noch einige kleinere und dann die Fahrt durch die Dolomiten. In etwa einer Woche werde ich zu Hause sein. Ich freue mich drauf, wengleich ich immer noch gerne unterwegs und des Lebens im Auto noch nicht überdrüssig bin.

Venezianische Verteidigungsanlagen zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert: Stato da Terra – Western Stato da Mar

Nach meinem Besuch in Aquileia fahre ich in die venizianische Festungsstadt Palmanova etwa 100 km vor den Toren Venedigs. An der Festungsstadt Bergamo bin ich in Höhe des Gardasees, also genau so weit entfernt, schon vorbei gekommen. Venedigs Einflussbereich war groß.

Ich habe schon auf meiner Karte gesehen, in welch eine besondere Stadt ich kommen werde – in Klein kenne ich diese Form vom Verteidigungsring rings um Amsterdam (Link). Hier habe ich aber eine völlig andere Dimension vor mir.


Das UNESCO-Welterbe der Venezianischen Verteidigungsanlagen aus dem Jahr 2017 besteht aus sechs Stätten in Italien, Kroatien und Montenegro, die sich über mehr als 1.000 km zwischen der Lombardei und der östlichen Adriaküste erstrecken. Die Befestigungen des Stato da Terra schützten die Republik Venedig vor anderen europäischen Mächten im Nordwesten und die des Stato da Mar die Seewege und Häfen an der Adria. Sie waren erforderlich geworden, um die Expansion und Autorität der Serenissima zu unterstützen (offizieller Staatstitel La Serenissima Repubblica di San Marco = Die allerdurchlauchteste Republik des Heiligen Markus). Die Verteidigungswerke der Serenissima wurden zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert errichtet, der bedeutendsten Periode in der langen Geschichte der Republik Venedig. Durch die Einführung des Schießpulvers wurden bedeutenden Veränderungen in den Militärtechniken und der Architektur der Verteidigungsanlagen erforderlich. Das weitläufige Territorium der Serenessima war dabei der nahezu exklusive Schauplatz der Entstehung des Alla Moderna- oder Bastionensystems während der Renaissance und die umfangreichen und innovativen Verteidigungsnetzwerke, die von der Republik Venedig errichtet wurden, sind bis heute von außergewöhnlicher historischer, architektonischer und technologischer Bedeutung.

Ich komme aus Aquileia und bin gespannt, was ich von der Verteidigungsanlage vom Boden aus sehen werde. In den Vororten von Venedig habe ich Forts ähnlich denen um Amsterdam gesehen, mit einem Durchmesser von einigen zig Metern.

Schon am Eingang von Palmanova muss ich durch ein eisenbeschlagenes Tor einen hohen Wall passieren. Das geht ja schon interessant los. Die Stadt ist nicht groß und ich stelle das Auto ab und schaue mir alles in Ruhe zu Fuß an. Das Stadttor ist mächtig und die Straße so schmal, dass entweder Fußgänger oder Fahrzeuge passieren können. Überall gibt es Erläuterungen zu dem, was man sieht und natürlich Hinweise auf den sternförmigen Stadtplan. Der Wall wird von einem Wassergraben umschlossen.

Die Anlage ist schon ziemlich beeindruckend. Die Stadt ist klein und je näher ich dem Zentrum komme, umso deutlicher sichtbar wird die sternförmige Anordnung der Straßen. Vom Tor bis zum zentralen Platz sind es 450 m. Mit dem Fahnenmast in der Mitte des Platzes fühlt man sich auch heute wie in einem Fort. (Video)

Hier sind alte Baugeräte für die Verteidigungsanlagen ausgestellt und in ihrer Funktionsweise erläutert. Man sieht Anlagen zum Aufschütten der Wälle, zum einschlagen der Palisaden und zur Wasserversorgung. Die Ausstellung ist sehr interessant.

Rings um den Platz führt ein Wassergraben mit Brücken jeweils zu den Straßen zu den Toren, die mit Statuen begrenzt sind. Alles militärisch exakt und trotzdem schmuckvoll. Eine kleine Kirche gibt es natürlich auch in der Anlage.

Bis auf die eigentümliche Form der Straßen ist Palmanova heute eine ganz normale und schöne saubere kleine Stadt.

Ich steige zum zweiten Aussichtspunkt Richtung Aquileia auf den Wall und nehme noch ein Blick, hinter mir werde ich aus dem Fenster des Klassenzimmers der benachbarten Schule beobachtet. Man hat sich hier innerhalb der Wälle modern eingerichtet. (Video)

Es gibt auch ein Museum über die Verteidigungschlachten, lese ich an einem Hinweisschild. Das Städtchen wirkt heute, in der Woche und unter Mittag recht ruhig, wenn ich aber die Anzahl der Parkplätze, Restaurants und Eisdielen anschaue, dann muss es hier auch volle Zeiten geben.

Resümee

Palmanova ist ein durchaus sehenswerter Ort und es ist eine neue Erfahrung, einmal durch eine leibhaftige und, bei allem modernen Leben, das hinter den Mauern eingekehrt ist, recht authentische Festungsstadt zu gehen. Die Verteidigungswälle und Stadttore sind schon sehr beeindruckend. Besonders interessant fand ich die Ausstellung und Erläuterung der Baugeräte.

Jetzt geht es endgültig nach Nordwesten in Richtung Dolomiten und mein nächstes sehr friedliches Ziel, die Landschaft des Prosecco Anbaues (Link), liegt gute drei Autostunden entfernt.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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