Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – D – Das architektonische Werk von Le Corbusier – ein herausragender Beitrag zur „Modernen Bewegung“

Auf meiner Benelux-Tour hatte ich mit den Gebäuden der Moderne recht wenig Glück und Erfolg. Diesmal soll es anders werden und ich fahre nach Stuttgart, genauer gesagt, auf den Killesberg, zur Weißenhofsiedlung.

Das transnationale Welterbe mit Bauwerken des Architekten Le Corbusier steht als bedeutendes Zeugnis der Architektur der Moderne seit 2016 auf der UNESCO-Welterbeliste. Zwei seiner Häuser befinden sich in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart. Die Architekturbewegung der Moderne war die Antwort auf einige der grundlegenden Fragen des Lebens in der Gesellschaft zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Von den 1910er bis zu den 1960er Jahren zielte die Moderne Bewegung darauf ab, bei der Bewältigung der Herausforderungen der zeitgenössischen Gesellschaft ein länderübergreifendes Ideenforum zu bilden und eine neue Architektursprache zu erfinden, Architekturtechniken zu modernisieren und dadurch die sozialen und menschlichen Bedürfnisse der modernen Gesellschaft zu erfüllen. Alle sehr unterschiedlichen Objekte, die das Welterbe umfasst, sind innovativ, spiegeln neue Konzepte wider und verbreiteten die Ideen der modernen Architektur auf der ganzen Welt. Die Moderne ist die Grundlage der Architekturkultur des 21. Jahrhunderts geblieben. Le Corbusier schuf Objekte für preiswertes Wohnen auf minimalem Raum, für die Ansprüche der Mittelklasse, entwarf Konzepte für das Gleichgewicht zwischen dem Kollektiv und dem Individuum und erarbeitete Prinzipien zur Idee einer strahlenden Stadt. Einige der Standorte erlangten sofort Kultstatus und hatten weltweiten Einfluss (die Villa Savoye als Ikone der Moderne; Unité d’Habitation in Marseille als bedeutender Prototyp eines neuen Wohnmodells auf einem Gleichgewicht zwischen Individuum und Kollektiv, die Chapelle Notre-Dame-du-Haut für ihre revolutionäre Herangehensweise an religiöse Architektur und der Cabanon de Le Corbusier als Minimalzelle). Auch die Maisons de la Weissenhof-Siedlung wurden im Rahmen der Werkbundausstellung weltweit bekannt. In der eigenständigen Konstruktion aus Betonträgern spiegeln sich Innovation und Experimentierfreude wider. Hier wurde die Idee von Gebäuden, die auf die neuen Bedürfnisse des „modernen Menschen im Maschinenzeitalter“ ausgerichtet sind, in preisgünstigen Siedlungshäusern nicht für einen winzigen Teil der Gesellschaft, sondern für die gesamte Bevölkerung, umgesetzt. Eine Fotogalerie gibt es hier.

Die Fahrt durch den Schwarzwald ist wunderschön, zwar kurven- und steigungsreich, aber sie führt mich durch hübsche Kleinstädte und schmucke Fachwerkdörfer im Musterländle und ist allemal besser als die Staus auf der Autobahn, die gerade durchgesagt werden. Ich stelle mich, zum Glück sind außer mir nur wenig Besucher da, am Weissenhofmuseum im Haus von Le Corbusier an und kann nach dessen Besichtigung an einer Führung durch die Siedlung teilnehmen. Was ich zu sehen bekomme und erfahre, beeindruckt mich, besonders im Kontext der Entstehungszeit, sehr.

Das Maison Le Corbusier wurde in nur drei Monaten erbaut und ich erfahre viel Interessantes über die technischen Anforderungen durch die verwendeten Baustoffe und Ausführungstechnologien, die die architektonischen Ideen und Freiheiten beeinflussten. Im erstes Haus gibt es reichlich Informationen über die Siedlung und deren Bau, dazwischen Bemerkungen von Le Corbusier zu den neuen Werkstoffen und ihre besonderen Anforderungen. Die Ausführungen des Bauleiters Alfred Roth, die in seinem Büro zu hören sind, geben unterhaltsam Einblick in die Entstehung des Hauses.

Im zweiten Haus ist die Einrichtung von 1927 zu sehen. Die Wohnräume können individuell gestaltet und verändert werden, denn Stahlträger erlauben flexible Wände. Die Einrichtung ist minimalistisch, ich hatte es nicht anders erwartet. Besonders schön und wohltuend in den sachlichen Räumen sind die Originalfarben grau, ockerbraun und ein warmes Blau. Die Bettenlösung – unter den Schrank zu schieben, sowie die schmalen Flure, sind dem Schlafwagenkonzept entlehnt und entstanden unter dem Sparzwang aufgrund des teuren Baugrundes. Das Bad mit dem separaten WC war ein absolutes Novum und Luxus der Zeit.

Der Blick vom Dachgarten ist phänomenal, bei dieser Lage der Siedlung am Berg kein Wunder. Ich freue mich auf den Rundgang durch die Weissenhofsiedlung. Der Dachgarten war für Le Corbusier Lebensraum und entsprach dem damals in Mode kommenden Streben nach gesunder Lebensweise, Bewegung und Sport an frischer Luft.

Auf der Führung durch die Weißenhofsiedlung erfahre ich viel über die Lebensbedingungen, die dem städtischen Werkbundwettbewerb Weißenhofsiedlung und den dafür entwickelten Architektenhäusern zugrunde lagen: Landflucht, Werkarbeiter im sich im sprunghaft entwickelnden Industrieballungsraum Stuttgart, die aus Wohnungsmangel als “Schlafgänger” in fremden Betten schliefen, mangelnde Hygienemöglichkeiten, TBC. Der Werkbund hatte den Wettbewerb für die Wohnhäuser mit strengen Finanz- und Zeitvorgaben ausgeschrieben. Letztendlich beteiligten sich 17 Architekten beteiligten, die 21 Häuser entwarfen und in wenigen Monaten fertigstellten. Das Gesamtprojekt wurde von Ludwig Mies van der Rohe geleitet. Wie groß das Interesse an diesen Häusern war, zeigt die Besucherzahl von 500.000 bereits in den ersten drei Monaten.

Auf dem Rundgang sehen wir Entwürfe bedeutender Architekten der Bewegung und bekommen interessante Eräuterungen zu den Besonderheiten der Häuser, die auch heute noch alle bewohnt und in denen viele Details ursprünglich erhalten und in täglicher Nutzung sind.

Resümee

Auch wenn wir heute Beton und Plattenbauten als Standard kennen, sind die damaligen Enwürfe immer noch unheimlich kreativ und einige Details entlocken trotz IKEA&Co. auch jetzt noch ein Wow. Das Haus von Le Corbusier mit dem sehr informativen Museum und der anschließende Rundgang durch die Siedlung mit den vielen Erläuterungen zur Entstehungszeit und den Besonderheiten der Häuser haben mich sehr begeistert. Es schließt sich für mich langsam der Kreis zum Bauhaus und den Gebäuden, die ich auf meinen Fahrten nur von außen oder im Video sehen konnte.


Nach zwei Städten habe ich mir ein ländlicheres Welterbe verdient und begebe mich auf den Weg Richtung Baubeuren zu den schwäbischen Höhlen der Eiszeitkunst.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

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