Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – I – Langobarden in Italien

Orte der Macht (568-774 n. Chr.)

Von allen Welterben auf meiner Runde durch Italien waren die Machtorte der Langobarden die, worunter ich mir das Wenigste vorstellen konnte, denn es handelt sich um sehr unterschiedliche Stätten. Hier sind sie aufgelistet. Ich habe mir stellvertretend zwei ausgesucht, die einerseits nahe der Route lagen und andererseits spannend klangen

  • die Wallfahrtskirche San Michele auf dem Monte Sant’Angelo
  • der Klosterkomplex von San Salvatore – Santa Giulia in Brescia

und damit zwei wunderbare Orte besucht.

Die Orte der Macht der Langobarden stehen seit 2011 auf der UNESCO-Welterbeliste. Die Langobarden waren ein Volk germanischen Ursprungs, das zum Christentum konvertiert war. Das Welterbe umfasst sieben Stätten, darunter Festungen, Kirchen und Klöster, die über ganz Italien verteilt sind. Sie zeugen von der hohen Leistung der Langobarden, die aus Nordeuropa einwanderten und in Italien im 6. bis 8. Jahrhundert über weite Gebiete herrschten. Ihre eigene spezifische Kultur aus der Synthese architektonischer Stile markierte den Übergang von der Antike zum europäischen Mittelalter und stützte sich auf das Erbe des antiken Roms, die christliche Spiritualität, den byzantinischen Einfluss und das germanische Nordeuropa. Dadurch erreichten die Langobarden eine kulturelle, architektonische und künstlerische Kultur, die in Bezug auf ihre monumentale und stilistische Vielfalt und die verschiedenen weltlichen und religiösen Nutzungen einzigartig ist. Sie ist eine der Hauptwurzeln der Anfänge der mittelalterlichen europäischen Welt und der spirituellen Etablierung des westlichen Christentums. Sie stärkten die monastische Bewegung erheblich und trugen mit der Verbreitung der Verehrung des Hl. Michael zur Entstehung eines Vorläuferortes der großen Wallfahrten auf dem Monte Sant’Angelo bei. Sie spielten auch eine wichtige Rolle bei der Übermittlung literarischer, technischer, architektonischer, wissenschaftlicher, historischer und juristischer Werke aus der Antike in die entstehende europäische Welt. Die Langobarden waren Wegbereiter und Vorboten der Blüte der karolingischen Kultur und Kunstfertigkeit.

Die Wallfahrtskirche San Michele auf dem Monte Sant’Angelo

Ich komme vom Castel del Monte und fahre wieder zum Meer, komme durch Olivenhaine und dann immer die Uferstraße entlang. Das Meer sieht grün aus bei dem Sturm und hat weiße Schaumkronen. Links neben mir ist eine große Saline, deren Wasser rot in der Sonne glänzt.

Im Hintergrund sehe ich schon den Berg, auf dem sich die Kirche San Michele befindet. Monte Sant’Angelo klingt ja schon nicht nach Küstenort und nach zwei Tagen und den vielen Kilometern geradeaus erwarten mich jetzt neun Kilometer wirklich steilste Serpentinen. Hier auf dem Berg befindet sich heutzutage eine große Stadt und mir ist unklar, warum man bei dieser Anfahrt dort oben wohnt.

Ich finde dann auch einen Parkplatz unterhalb des historischen Zentrums und steige die letzten 200 m den Berg hinauf.  Das kleine Zentrum ist ganz niedlich und die Kirche dann eine echte Überraschung, denn sie ist, wie schon der Name Grottenkirche vermuten lässt, 50 Stufen unter der Erde in einer wirklichen Felsengrotte.

Viele Leute kommen und gehen und auch ich reihe mich ein und gehe die Treppe hinunter. Gerade läuft, wie soll es anders sein, ein Ostergottesdienst mit Gesang, der wird auch im Treppenhaus auf verschiedenen Bildschirmen übertragen.

Der Gottesdienst ist wie immer voll, die Leute singen mit und es laufen die ganze Zeit Zeremonien, dazu ein ständigens Kommen und Gehen. Die Besucher fotografieren und filmen ebenso begeistert wie ich (Video).

Zum Abschluss besuche ich noch das Museum und die übrigen Räume hier unten.

Resümee

Der Monte Sant’Angelo ist ein Erlebnis. Beginnend mit der spektakulären Auffahrt, die von oben einen ebensolchen Blick bietet, ist das kleine historische Zentrum auf der Spitze des Berges eines der hübschen typisch italienischen Bergorte und hat noch viel mehr zu bieten, als ich bei meinem kurzen Besuch gestreift habe. Die Grottenkirche ist ein ganz besonderer Ort mit einem speziellen Zauber.

Zwar scheint die Sonne noch aber es wird schon wieder empfindlich kalt und der Wind pfeift hier oben auf dem Berg. Ich genieße die Aussicht bis zum Meer und fahre noch im Hellen die Serpentinen wieder runter. Morgen werde ich in Asisi sein und die Stätten des Heiligen Franziskus besuchen.

Der Klosterkomplex von San Salvatore – Santa Giulia in Brescia

Auf meiner Fahrt in den Norden Italiens habe ich zuletzt die Renaissancestädte Mantua und Sabbioneta besucht und fahre nun nach Brescia. Der Verkehr wird dichter, hier kreuzen sich zwei Autobahnen und die Stadt scheint recht groß zu sein. Ich parke an einer der Ausfallstraßen und laufe zum Kloster.

Von außen ist das Kloster unscheinbar, von innen aber dafür wundervoll. Der Komplex besteht aus dem eigentlichen Kloster und einem Museum, das sich teilweise auf den alten Grundmauern befindet und auch eine der ehemaligen Kirchen einbezieht. Gerade läuft, wie passend, eine Sonderausstellung über die Langobarden.

Zunächst besuche ich das Kloster und die Ausstellung über die Langobarden. Hier erfahre ich viel Interessantes über ihre Symbolik in den Verzierungen der Bauwerke, Fresken und Skulpturen.

Das Highligt des Klosters ist die Kapelle Santa Maria in Solario, in deren Mitte das goldene Desiderius-Kreuz aus dem 9. Jh. n.Chr.  aufbewahrt wird. Die Fresken und das Kreuz sind für sich schon atemberaubend, zusätzlich gibt es noch Lichteffekte, alle Besucher stehen und staunen. (Video)

Die Klosteranlage ist romantisch, man kann durch den Säulengang wandeln und einen Blick in den Klostergarten werfen.

Das Museum ist der Stolz von Brescia, mit Recht. In den Etagen geht es von der prähistorischen über die romanische Periode bis in die jüngere Vergangenheit, von der Stadtgründung über die Stadtausdehnung, die Handelsbeziehungen. In jeder Abteilung bekomme ich eine persönliche Einführung und alle MitarbeiterInnen sind hier nett und bemüht, das ist ein fühlbarer Unterschied zu vielen anderen Museen. Sehr interessant ist der Vergleich der keltischen Götter gegen den Herculeskult. Aus der Römerzeit hat man Grundmauern und schöne Mosaike freigelegt, solche kenne ich ja schon aus der Villa Romana del Casale. Ein Film über die Arbeit der Restauratoren und das frühere Aussehen der Stadt rundet das Museumsangebot ab.

Natürlich gibt es auch eine Abteilung, die den Langobarden gewidmet ist, hier sind Waffen und Schmuck zu sehen.

Sehr beeindruckend ist die sich anschließende Basilika San Salvatore.

Resümee

Angelockt durch die Langobarden und ihren Klosterkomplex habe ich heute zusätzlich zum Kloster und seinen wunderschönen Kirchen im Museum vieles über die Geschichte Brescias und Italiens erfahren. Es gab für mich hier auch den einen oder anderen Déjà-vu zu den Dingen, die ich auf meiner Fahrt bisher gesehen habe.

Resümee

Die Machtzentren der Langobarden waren für mich eine überraschende Entdeckung und ein Ausflug in die Kunst und Gedankenwelt des Mittelalters. Ich habe Orte besucht, an denen ich sonst vorbeigefahren wäre und es lohnt sich sicher, auf einer Italienreise nicht nur diese beiden anzuschauen, sondern bei der Planung vielleicht auch die anderen Machtorte der mittelalterlichen Germanen zu beachten. Und wie bei den arabisch-normannischen Bauten in Palermo ist auch hier erstaunlich, welche wunderbaren Werke schon ca. 600 Jahre früher durch die Synthese der kulturellen und künstlerischen Einflüsse verschiedener Völker entstanden sind.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

Schreibe eine Antwort