Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – CH – Drei Burgen von Bellinzona

Vom Aletsch-Gletscher, den imposanten Holzhausdörfern entlang des türkisen Flusses und der Fahrt mit dem Auto-Tunnel-Zug komme ich in eine sonnenbeschienene, schneebedeckte Hochebene und nach einer atemberaubenden Serpentinenabfahrt durch den Gotthardtunnel. Der hat sogar in der Mitte eigene Radio-Durchsagen. Weiter geht es nach Süden, bis Bellinzona sind es noch fast 100 km.

Hier habe ich dann meinen schönsten Schweizer Übernachtungsplatz – hinter einem gemauerten Torbogen, der Stadtmauer und einem rauschenden Bergflüsschen, vor dem Weinberg und beschützt von einer Trutzburg oben auf der Spitze. Damit stehe ich schon mitten im Geschehen, dem Welterbe der Verteidigungsanlagen von Bellinzona.

Das UNESCO-Welterbe von 2000 umfasst die Befestigungsanlagen, die sich um das Schloss Castelgrande auf einem felsigen Gipfel gruppieren sowie eine Reihe befestigter Mauern und Wehrtürme, die von der Burg ausgehen und damit die antike Stadt schützen und den Durchgang durch das Tal blockieren. Die zweite Burg, Montebello, ist in die Befestigungsanlagen integriert und die dritte Burg, Sasso Corbaro, steht seperat südöstlich der anderen Anlagen.

Der Bau der Festungen hing mit der strategischen Lage des Ortes zusammen. Der Tessiner Talkessel bildet den Zugang zu den Pässen San Bernardino, Lukmanier und Gotthard und die Sperre bei Bellinzona kontrollierte damit den Übergang zwischen der Schweiz und Norditalien. Das Festungsensemble ist eine der größten und hervorragend erhaltenen Befestigungsanlagen des 15. Jahrhunderts im gesamten Alpenbogen und ein Beispiel für die spätmittelalterliche Verteidigungsstruktur.

Jetzt, da ich schon weit über hundert Welterbe besucht habe, kann ich anfangen, Parallelen zu ziehen. Eine ähnlich große Festungsanlage, die in großen Teilen zur gleichen Zeit gebaut wurde, habe ich in Luxemburg besichtigt.

Am Abend bin ich noch ein Stück Richtung Stadt gelaufen und habe die erleuchteten Burgen am Berg liegen sehen – ein schöner Abschluss eines wunderbaren Tages. Die Nacht war nicht mehr so kalt, das ist ja auch kein Wunder, ich bin im Tessin und am Lago Maggiore. Ich bin eine knappe Woche unterwegs und 1700 km gefahren. Die Obstbäume blühen, Frühling liegt in der Luft, oben von den Bergen grüßt der Schnee.

Ich wandere zeitig am Morgen los und an der in großen Teilen noch vollständig erhaltenen Stadtmauer entlang, die Vögel singen, das Bächlein rauscht, wenn das mal kein Romantik ist. Hier spricht man italienisch, in den Gärten wachsen Palmen und andere tropische Gehölze, ich bewundere eine große Kamelie. Vor der alten Kirche blüht eine Magnolie.

Der Weg ist recht weit, Bellinzona ist eine Gartenstadt, und dazu fast ohne Hinweisschilder für die Touries wie mich.

Mitten in der Stadt, zwischen einem Einkaufszentrum und oberhalb eines Parkhauses, erheben sich die alten Mauern auf einem Felsen, leider sind sämtliche Zugangswege versperrt. Neben einem Café finde ich schließlich doch ein verstecktes Welterbeschild.

Jetzt ist mein Ehrgeiz geweckt und ich finde dann wirklich zwischen den Häusern noch eine winzige Gasse, die in zweihundert steilen Stufen mündet und den Berg zur Burg Montebello hinauf führt. Bis in dreiviertel der Höhe gibt es Wohnhäuser.

Dann habe ich es geschafft, das Eisentor am Ende des Weges lässt sich öffnen und ich stehe im Burggelände. Der Ausblick ist fantastisch. Es gibt ein Burgmuseum, doch die Kasse hat noch nicht geöffnet*. Ich laufe durch die romantischen Anlagen, klettere auf den Mauern und bin begeistert.

*Hier oben scheint es auch einen Parkplatz zu geben, vielleicht ist die Ausschilderung für Autofahrer besser. (Video)

Von hier aus bekomme ich den Überblick, sehe die Lage der Festungsanlagen und den Zugang zu Castel Grande. An der Burgmauer steht einen Steintisch mit Ausblick, bestens geeignet für mein Picknick.

Zwischen den Burgen befindet sich das kleine hübsch bunte Altstadtzentrum.

Von hier aus gibt es sogar einen Aufzug zum Castel Grande. Das ist wesentlich größer, offener und freier, aber lange nicht so romantisch.

Dafür sind die Festungsmauern aber umso beeindruckender, in zwei Etagen ziehen sie sich durch die halbe Stadt. Alles noch erhalten. Am Ende sehe ich schon fast meinen Standplatz am anderen Rand der Stadt. Die Mauer führt über eine Straße, da hat man einfach eine Brücke für sie gebaut. Und durch die untere Etage gibt es einen beleuchteten Weg. Zwischen den Burgmauern wird Wein angebaut, das überrascht mich nicht.

Zurück zum Auto ist der Weg nicht weniger weit, aber erheblich leichter zu finden, da meine kleine Burg schon weithin Orientierung liefert. Ich gehe wieder am Fluss entlang, hier sind Spielplätze und Sportmöglichkeiten – Bellinzona ist sicher eine recht lebenswerte Stadt. Nach über 16000 Schritten, wie meine Uhr gezählt hat, gönne ich mir vor dem Start  noch ein Fußbad im Bach.

Resümee

Die Burgen von Bellinzona halten das, was man von einer Mittelalterfestung erwartet – imposant, trutzig und romantisch. Die Anlage ist von ihrer Größe schon sehr beeindruckend und wirklich erstaunlich gut erhalten. Für meinen Geschmack ist sie für ein Welterbe leider nur mittelmäßig präsentiert. Hinweise, Beschreibungen, ein schöner Rundweg, das würde helfen, die wichtigen und einzigartigen Dinge und die schönsten Ecken und Ausblicke zu finden. Für mich war das nicht unbedingt ein Problem, denn ich liebe es ja, auf eigene Faust die Spuren zu suchen und mich dann umso mehr zu freuen, wenn ich sie gefunden habe, trotzdem hätte ich sie gerne angenommen und genutzt und das eine oder andere mehr gesehen, als ich heute selbst gefunden habe. Bellinzona ist auf jeden Fall ein Ort, den man in der Südschweiz nicht links der Straße liegenlassen sollte.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

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