Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – I – Sacri Monti im Piemont und der Lombardei

Vom Monte San Giorgio fahre ich in einem Dorf durch die winzige Grenzstation nach Italien und kurz danach lerne ich schon die Freuden des italienischen Verkehrs kennen – verquere Straßenführung, schmalstes steiles Auf und Ab, hunderte Kreisverkehre und unerschrockenes Fahrverhalten der Italiener.

Im Städtchen Orta, wo ich mir einen der Heiligen Berge anschauen möchte, fahre ich am Lago d’Orta*, einer kleinen Ausführung des Lago Maggiore vorbei, besonders malerisch mit einem Schloss auf der Insel.

*Die Seenlandschaft Lago Maggiore und Lago d’Orta steht seit 2006 auf der UNESCO-Tentativliste.

Die Sacri Monti des Piemont und der Lombardei stehen seit 2003 auf der UNESCO-Welterbeliste. Die neun Heiligen Berge Norditaliens bestehen aus Gruppen von Kapellen mit Wandmalereien und Skulpturen, die im späten 16. und 17. Jahrhundert geschaffen wurden und verschiedenen Aspekten des christlichen Glaubens gewidmet sind. Sie befinden sich auf Anhöhen nahe den Orten Varallo, Crea, Orta, Varese, Oropa, Ossuccio, Ghiffa, Domodossola und Valperga. Um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert wurden Pilgerfahrten ins heilige Land aufgrund der raschen Ausbreitung der muslimischen Kultur immer schwieriger. deshalb wurden als Alternative Gebetsstätten in Europa gesucht. Die Standorte für die Sacri Monti wurden aufgrund der Ähnlichkeit der Topographie mit dem Heiligen Land ausgewählt. Neben ihrer symbolischen und spirituellen Bedeutung sind es die Kunstwerke und ihre Einbindung in die umgebende Naturlandschaft aus Hügeln, Wäldern und Seen, die die Sacri Monti einmalig machen. Die größten piemontesischen und lombardischen Künstler jener Zeit schufen Gemälde und Skulpturen, die Episoden aus dem Leben Jesu, Marias oder der Heiligen darstellen. Jeder Sacro Monte hat auch über die Jahrhunderte seiner Erweiterung und Vervollkommnung seinen eigenen Stil bewahrt und ist einem besonderen Thema oder einer Rolle gewidmet. Der Sacro Monte der Heiligen Jungfrau von Succor in Ossuccio enthält 14 barocke Kapellen und ein Heiligtum auf dem Berggipfel. Im frühen 18. Jahrhundert entwickelte Michelangelo da Montiglio, ein Mönch, den Sacro Monte von Valperga, um biblische Stätten aus dem Heiligen Land in 13 Kapellen nachzubilden. In Orta ist der Komplex aus 21 Kapellen und einem seit dem 16. Jahrhundert im Wesentlichen unveränderten Garten dem heiligen Franz von Assisi gewidmet (dessen Wirken ich auf meiner Reise durch Italien noch einmal an seinem Geburtsort begegnen werde – Link folgt). Hier gibt es ein Einführungsvideo.

Der Heilige Berg von Orta ist gut ausgeschildert, es gibt ausreichend Parkplätze und sogar eine kleine Touri-Eisenbahn. Ich steige aber selber den Berg hoch und komme an einem plätschernden Brunnen vorbei – diese angenehme Eigenheit Italiens werde ich auf meiner Reise überall finden und schätzen lernen.

Schon stehe ich vor der ersten Kapelle und bin, obwohl ich das o.g. Video kannte, in natura unvergleichlich mehr beeindruckt.

Zunächst mache ich einen Rundgang durch den idyllischen Park und verschaffe mir einen Überblick. Die Kapellen wurden zu unterschiedlichen Zeiten erbaut, das sieht man am Stil der Malerei und der Skulpturen. Sie enthalten alle lebensgroße figürliche Darstellungen interessanter Geschichten und Wunder aus dem Leben des Heiligen. Die Wände und Decken sind als Hintergrund oder passend dazu bemalt.

Es gibt keinen Zeitdruck, der romantische Park und die Kapellen sind den ganzen Abend geöffnet. Ich schaue sie mir also eingehend an und staune. So etwas habe ich wirklich noch nicht gesehen, bei allen Kirchen und Klöstern, die ich nun schon besucht habe.

Jede Kapelle ist genau beschrieben, von der Entstehung bis zur dargestellten Geschichte. Manch eine kann einem Atheisten schon das Wundern, wenn nicht gar das Fürchten lehren.

Die Kapellen wurden teils von reichen Familien gestiftet, ich nehme an, wieder im Austausch gegen ihr Seelenheil.

Vom schönen Park hier oben auf dem Berg eröffnet sich der Blick auf den See mit dem Märchenschloss auf der Insel.

In der Kirche findet gerade ein Gottesdienst statt, und wie es hier so üblich ist, wird zum Schluss fantastisch gesungen. Die Kirche, die aus dem 11. Jahrhundert stammt, wurde während der Arbeiten am Sacro Monte entsprechend des hier verehrten Heiligen nach dem Vorbild der Basilika in Assisi umgestaltet.

Kurz unterhalb des Parks gibt es einen Standplatz für Wohnmobile, den nutze ich für die Nacht. Und unweit der Kirche steht ein Steintisch in der Sonne mit Blick auf den See – das ist mein wunderbarer Abendbrotplatz. (Video)

Resümee

Der Heilige Berg von Orta entfaltet mit seiner Anlage in dem romantischen Park und der Gestaltung der Figurenszenen in den Kapellen einen magischen Zauber. Dem konnte auch ich mich nicht entziehen. Ich nehme an, auch die anderen Sacri Monti des Welterbes werden auf die Besucher ähnlich wirken. Ein Besuch eines Sacro Monte ist deshalb mein unbedingter Geheimtipp in Norditalien.

Hier sind zwei kleine Videos.

Mein Start in Italien hat sich gut angelassen, beschützt durch die Heiligen habe ich hier wunderbar geschlafen. Die Tage sind noch relativ kurz, aber das sich das ändert, ist ja nur noch eine Frage der Zeit. Ich bin gespannt, was mich auf meiner weiteren Rundfahrt erwartet.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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