Welterbe-Projekt

Welterbe (auf)gespürt und (er)fahren – I – barocke Pracht und Herrlichkeit – Turin, Caserta und Val di Noto

Auf meiner Tour durch Italien besuche ich einige beeindruckende Zeugnisse des Barock:

  • die Residenzen der Savoyen in Turin als eines der schönsten und vollkommensten Beispiele der barocken Stadt-Architektur des Absolutismus
  • den Schlosskomplex von Caserta mit seinen prachtvollen Gärten und beeindruckenden Fontänen und
  • die wunderschönen spätbarocken Städte im Val die Noto auf Sizilien.

Residenzen des Königshauses Savoyen

Ich fahre auf kleinen Landstraßen durch das sonnenbeschienene Piemont nach Turin, der alten Haupt- und Königsstadt. Langsam habe ich mich an die italienische Sonne und Leichtigkeit und auch die Fahrweise gewöhnt und mein Weg durch die Weinplantagen und die kleinen Ortschaften macht trotz der vielen Kreisverkehre, Blitzer und Bodenwellen Spaß. Turin empfängt mich zur mittäglichen Stunde voller Autos und Radfahrer. Ich stelle Dobby nahe des großen Friedhofs ab – die Friedhöfe hier in Norditalien, das ist mir schon unterwegs aufgefallen, haben fast alle diese hohen Mauern und Häuschen, wie ich das aus Lissabon oder auch vom Père Lachaise in Paris kenne. Am Nebenarm des Po entlang laufe ich ins Zentrum.

Das Haus Savoyen verlegte 1562 seine Residenz nach Turin und begann mit einer großen Reihe von Bauvorhaben, um die Macht des Herrscherhauses zu demonstrieren. In und um Turin wurden 22 Paläste und Villen, Landsitze und Jagdschlösser gebaut. Führende Architekten und Künstler der Zeit waren mit dem Bau und der Ausschmückung beauftragt und gaben dem gesamten Ensemble dadurch einen konsistenten Stil. Das Konzept entwarf der Herzog von Savoyen, Emmanuel-Philibert und sein Nachfolger, Karl-Emmanuel I. und dessen Frau ordneten im 17. und 18. Jahrhundert das Gebiet vollständig neu, um der Stadt und ihrer Umgebung einen barocken Charakter zu verleihen und damit ihre absolute Macht zu unterstreichen. Die Hauptstadt wurde entlang von Achsen gestaltet, in deren Mittelpunkt der Palazzo Reale stand. Die umgebenden Palazzi dienten der Verwaltung, die Villen und Schlösser den Vergnügungen. Turin verlor in den 1800er Jahren an Bedeutung, als die Regierung des Reiches vom Carignano-Zweig des Hauses Savoyen übernommen und verlagert und dadurch der barocke Plan der „Krone der Freuden“ aufgegeben wurde.

Die Residenzen des Königshauses von Savoyen stehen seit 2010 auf der UNESCO-Welterbeliste. Sie sind ein herausragendes Beispiel der europäischen Monumentalarchitektur und des Städtebaues im 17. und 18. Jahrhundert, das mit Stil, Dimension und Raum auf eindrucksvolle Weise die Ideen der absoluten Monarchie veranschaulicht. Zwei schöne Einführungsvideos gibt es hier.

Ich überquere den Fluss und gehe über den spektakulären futuristischen Unicampus – Olivetti hätte sich bestimmt daran erfreut. In der Ferne auf dem Berg steht eine große Kathedrale und ich nehme mir vor, später dort hinauf zu fahren.

Die Innenstadt von Turin gibt sich großstädtisch gelassen, entlang der Straßen und an den Plätze sitzen die Menschen in der Sonne. Hinter der alten Kavallerie, die gerade restauriert wird, beginnen die Paläste mit ihren schönen Fassaden und Innenhöfen. Ich setze mich mit meinem Capuccino auf den Platz neben der Oper, es tönt Gesang herüber, die Stadt meint es wirklich gut mit mir. Turin beginnt mir jetzt schon zu gefallen, ist irgendwie lebenswert und stimmig.

Ich habe mir zur Besichtigung der Paläste aus den vielen Möglichkeiten den Palazzo della Madama ausgesucht, hier gibt es ein Kunst- und Kunsthandwerksmuseum. Die Ausstellungen in den einzelnen Palästen sind bestimmten Themen gewidmet, der Palazzo du Monsieur z.B. dem Realismus. Das Ensemble ist gelungen, es beeindruckt auch noch heute. (Video)

Die Ausstellung ist groß und vielfältig und jedes Ausstellungsstück ausführlich beschrieben – Lesestoff für viele Stunden. In der Porzellan Abteilung entdecke ich Picknickkoffer mit feinsten Porzellan, genau wie im Film – Zusammen ist man weniger allein.

In einem weiteren Teil geht es um die Baugeschichte, beginnend vom Mittelalter und den Grundmauern. Mein bestes Erlebnis des Tages folgt, als mir eine Angestellte den Secret Tower mit dem alten Goldschmuck zeigt und mich dann durch den schönen Garten zum Aufzug auf den Turm schickt.

Dort habe ich einen fantastischen Rundumblick über Turin und drehe ich das Video des Tages.

Mein Rundgang führt mich durch die Barockzimmer, die ich vom Film schon kannte – in natura sind sie umwerfend. Welch eine Üppigkeit und welch eine Pracht hier zu sehen ist, schon allein dieser Palast hat das Potential zum Welterbe, und er ist nur einer von vielen. Ich hatte im Treppenhaus bemerkt, wie hoch die Stockwerke sind und jetzt, wo ich unter den Gewölbedecken stehe, wird es noch deutlicher. Am Ende entdecke ich noch eine Veranda mit Blick auf den Platz und ein kleines Planetarium.

Auf dem Rückweg zum Auto komme ich durch eine repräsentative Passage und an einigen anderen Palazzi vorbei.

Zum Abschluss meines Turin-Besuchs gönne ich mir noch ein kleines Highlight. Hoch auf dem Berg weit über der Stadt thront die Basilika Superga, die die Savoyen errichtet haben, als sie die Schlacht von 1706 gegen die Franzosen und Spanier gewonnen hatten. Sie ist auch ihre Grabeskirche. Während hier oben noch die Sonne scheint, liegt über der Stadt unten schon ein Dunstschleier.

Resümee

Turin ist eine interessante und liebenswerte Stadt und hat – Viel von allem.

Diese Stadt ist mein absoluter Tipp für eine Reise durch das Piemont. Die Paläste sind umwerfend, man wird es nicht schaffen, alle und vor allen Dingen alles darin zu sehen. Ich war sehr froh, den Palazzo della Madama für mich ausgewählt zu haben, schon alleine wegen des Ausblickes vom Turm. Ein Besuch der Kathedrale auf dem Berg mit Blick über die Stadt ist eine schöne Ergänzung.

Palast von Caserta aus dem 18. Jahrhundert

Ich bin auf meiner Fahrt bereits im Dunstkreis von Neapel angekommen, das merkt man eindeutig am Verkehr, der nach der idyllischeren Fahrt durch die Weinanbaugebiete deutlich zugenommen hat.

Nach meinem Besuch des ebenfalls zum Welterbe gehörenden Seidenweber-Schlosskomplexes Belvedere in San Leucio laufe ich bergab zum Schloss von Caserta, das ich bereits von Belvedere aus habe majestätisch liegen sehen. So weit wie die Schlossanlage zieht sich auch mein Weg, denn der langgestreckte Schlosspark teilt die Stadt in zwei Hälften.

Der außergewöhnliche monumentale Komplex von Caserta im Norden von Neapel wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach den Wünschen Karls III. von Bourbon geplant, um dem Schloss Versailles und dem Palazzo Reale in Madrid Konkurrenz zu machen. Der Königspalast ist das Herzstück der gesamten architektonischen Komposition und befindet sich auf einer zentralen Achse, die den gesamten Komplex verbindet und vereint. Entlang dieser Achse liegen auch der Portikus, die Wasserbecken und die beeindruckenden Fontänen des Parks, die zur malerischen Kulisse des vom Aquädukt von Vanvitelli gespeisten Wasserfalls führen. In der Anlage des Parks, der in seine natürliche Umgebung integriert ist, statt diese zu formen, spiegeln sich die Ideen der Aufklärung. Der prächtige Königspalast mit seinen vier Innenhöfen und drei Atrien diente der königlichen Familie und ihrem Hof als Wohnsitz und gleichzeitig als Verwaltungszentrum. Der Park von Caserta ist der neueste der großen europäischen Gärten und wurde von den Schöpfungen in Versailles und den Gärten der Villen in Rom und in der Toskana aus dem 16. Jahrhundert inspiriert. Der Englische Garten ist eine der größten, ältesten und bedeutendsten malerischen Gartenanlagen Europas.
Das Welterbe (seit 1997 auf der UNESCO-Welterbeliste) umfasst daneben das Aquädukt von Vanvitelli, das angelegt wurde, um den Wasserfall und die Fontänen zu speisen und gleichzeitig die umliegenden Ländereien mit Wasser versorgte und Wohlstand nach Caserta brachte, sowie den Industriekomplex von San Leucio, der für die Seidenproduktion gebaut wurde. Hier gibt es das Einführungsvideo.

Ich ziehe Parallelen zu der Gestaltung von Turin oder auch den Parforcejagdgebieten nahe Kopenhagen – hier hatte man die Landschaft nach den Ideen der Architekten geformt.

Der Besuch in Belvedere hatte mich überrascht, ich hatte ein Schloss und keine Seidenweberei erwartet. Jetzt habe ich viel über Seide und Brokat gelernt und hänge meinen Gedanken nach, als ich den Berg hinunter laufe. Maps bringt mich zur falschen Seite des Parks, ich lege also noch ein paar Tausend Schritte drauf und umrunde das große Gelände.

Dann stehe ich vor dem riesigen Schloss und auch wenn ich weit nach hinten gehe, passt es nicht aufs Foto.

Im Inneren ist es entsprechend prunkvoll, überbordend bemalt, Marmor, Glanz und Gold. Auf meiner bisherigen Runde habe ich schon einige Schlösser besucht, aber die heutige Besichtigung hat sich durchaus gelohnt.

Und dann betrete ich das Highlight der Schlossanlage – den ebenso riesigen wie wundervollen Garten. Ich laufe und laufe und entdecke immer wieder neue Blicke. Ganz in der Ferne stürzt das Wasser vom Berg, man kann es nur erahnen.

Je höher ich am Berg komme, umso romantischer wird die Anlage. Ich durchstreife einen englischen Garten mit wundervollem alten Baumbestand, einen japanischen und einen verwunschenen. Meine Augen möchten für die Fotos jede Ecke sehen, meine Füße möchten dringend eine Pause haben. (Hier gibt es zwei kleine Videos)

So versuche ich dann, den nächstmöglichen Ausgang zu finden, doch der ist wieder unten am Schloss. Danach geht es noch einmal die Stufen hoch nach Belvedere, wo mein Auto auf mich wartet. Das Aquädukt ist eine gute Autostrecke entfernt und ich belasse es bei den beiden Teilen des Welterbes, die ich besucht habe und gönne mir hier oben in San Leucio einen ruhigen Abend unter Apfelsinenbäumen und mit Blick auf den Golf von Neapel.

Resümee

Caserta und San Leucio sind zwei sehenswerte Ziele vor den Toren Neapels und ein vielgestaltiges Welterbe, das beispielhaft verschiedene Facetten der Ideen der Aufklärung veranschaulicht. Es lohnt sich auf jeden Fall, für die Schlossanlage von Caserta einen ganzen Tag einzuplanen und als Zugabe den kleineren Komplex in San Leucio zu besuchen. Und falls es am Wege liegt, ist das Aquädukt, das die ganze Pracht und auch die Manufaktur erst möglich machte, sicher auch einen Besuch wert.


Spätbarocke Städte im Val di Noto

Die Barockstädte im Val di Noto auf Sizilien gehören zu den großen Überraschungen auf meiner Italien-Welterbetour.


Die acht Städte (Caltagirone, Militello Val di Catania, Catania, Modica, Noto, Palazzolo, Ragusa und Scicli) im Südosten Siziliens stehen seit 2002 auf der UNESCO-Welterbeliste. Im Jahr 1693 verwüstete ein verheerendes Erdbeben diesen Teil Siziliens und diese Städte wurden alle auf oder neben ihren ursprünglichen Stadorten restauriert bzw. wieder aufgebaut oder auch neu gebaut. Dieses beachtliche Gemeinschaftswerk wurde auf hohem architektonischem und künstlerischem Niveau erfolgreich durchgeführt. Der Wiederaufbau erfolgte im Stil des damaligen Spätbarock. Dadurch wurde eine außergewöhnliche und homogene Gruppe von Städten geschaffen, die alle die spätbarocke Architektur des 17. Jahrhunderts in all ihren Formen und Anwendungen widerspiegeln. Alle Orte präsentieren die ganze Fülle spätbarocker Kunst und Architektur, zeugen aber auch von einer enormen gemeinschaftlichen Leistung nach einem katastrophalen Naturereignis. Hier ist das Einführungsvideo.

Ich habe mir für meine Besichtigung die Stadt Noto – der Stadt aus Gold, wie sie wegen des verwendeten goldgelben Sandsteins genannt wird, ausgewählt. Schon von weiten habe ich die imposante Kathedrale oben auf dem Berg gesehen. Ich parke etwas außerhalb und laufe in das historische Zentrum und das entpuppt sich als das wirkliche Highlight des Tages. Da hat das Welterbevideo nicht zuviel versprochen – wunderschöner Details, soweit das Auge reicht.

Auch die Kathedrale ist einfach eine Schönheit, sie erinnert mich an die fröhliche helle barocke Wallfahrtskirche Die Wies. (Video)

Ich gehe begeistert durch die Straßen, erfreue mich an den Blicken nach rechts und links und entdecke eine weitere Kirche, wo ganz freundlich geworben wird, auf die Dachterrasse zu steigen und über die Dächer von Noto zu schauen. Das ist doch genau das, was ich gesucht habe. Für den Rundumblick des Tages klettere ich die vielen Sandsteinstufen hoch. Noto ist echt das Highlight des heutigen Tages. (Video)

Ich habe von oben einige Bauten gesehen, die ich mir noch von unten anschauen möchte, es gäbe auch noch ein Museum zu besuchen. Ich genieße die Stimmung und die goldene Schönheit um mich herum und bin zufrieden mit dem Ausgang des heutigen Tages.

Rechtzeitig bevor die Nachmittags-Wolken aufziehen, habe ich die Stadt aus Gold durchstreift, Kirchen, Paläste und schmale Straßen voller schöner Details gesehen und genauso gestaunt wie alle anderen Besucher. (Video)

Resümee

Barock in seiner schönsten Form und Vielfalt – Noto ist dafür eine Offenbarung und hat meine Erwartungen – und ich hatte schon das UNESCO-Video gesehen – weit übertroffen. Sandsteinstuck wie aus einem Guss, Straßen lang und Kathedralen und Paläste hoch. Für mich war diese Stadt ein ganz anderes Erlebnis als ein Schloss oder eine Kirche. In Noto hat alles gepasst, die wunderbaren Bauwerke, die harmonische Stimmung und die fröhlich leichte Präsentation ihrer Schätze.

Wer wie ich noch keine solche Barockstadt gesehen hat, sollte unbedingt, wenn er auf Sizilien ist, diese oder auch eine der anderen sieben Städte besuchen. Ich hatte Gelegenheit, auf meiner Rundreise weitere zu durchfahren oder zumindest liegen zu sehen, sie sind gleichermaßen schön und sehenswert.

Am Abend fahre ich in den Süden der Insel und übernachte am Meer.

Tipp:

Mein Welterbeprojekt habe ich hier vorgestellt und die gesamte Tour in den Süden ist hier beschrieben. Alles über den Ausbau meines Minicampers ist hier nachzulesen, die Komplettierungen mit Solar und Bordbatterie habe ich hier dokumentiert. Während ich wochenlang unterwegs war, habe ich einige Veränderungen geplant – die aktuelle Einrichtung ist hier zu sehen und weitere nützliche Ausstattungen stehen hier.

Die Übernachtungsplatzsuche mit der App park4night habe ich getestet, besitze wegen der Schweiz die Offline-Version und kann sie empfehlen. Jeden besuchten Platz habe ich auch bewertet (5Reisende). Nützlich ist es auf jeden Fall, unterwegs auch eine App für öffentliche Toiletten zu haben (z.B. für weltweite Suche Toiletten Scout).

Hier geht es zu den Geschichte(n)-Orte in Europa Impressionen, Karten und Vorschläge für eure Tour zum Download

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